Bundesgerichtshof schickt Shell-Domain zurück an DENIC

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass Dr. Andreas Shell, Inhaber von "shell.de", gegenüber der Deutschen Shell GmbH das schwächere Recht an der Domain hat.

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Von
  • Dr. Andreas Lober

In einer mit Spannung erwarteten Entscheidung hat der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) heute im Streitfall "Shell gegen Shell" dem deutschen Zweig des Ölkonzerns Shell die stärkeren Rechte an der Domain "shell.de" gegenüber Dr. Andreas Shell, dem derzeitigen Domaininhaber, zugesprochen. Insofern bestätigten die Bundesrichter letztinstanzlich das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts München vom 25. März 1999. Bereits in erster Instanz war Dr. Shell vom Landgericht München verurteilt worden, die Nutzung der Domain zu unterlassen, Schadensersatz zu leisten und darüber hinaus der Deutschen Shell GmbH Auskunft zu erteilen. Die Richter hatten auf die "überragende Bekanntheit des Namens und der Marke Shell" abgehoben.

Dr. Andreas Shell hatte die Domain "shell.de" 1996 von einem Unternehmen erworben, das in großem Stil bekannte Markennamen als Domainnamen registrieren ließ und zunächst vergeblich versucht hatte, dem Ölkonzern dessen Präsentation unter der fraglichen Domain gegen Entgelt anzubieten. Anschließend war der frischgebackende "shell.de"-Besitzer, der auf seiner Site in erster Linie Übersetzerdienstleistungen anbot, von der Deutschen Shell GmbH auf Herausgabe des Domainnamens und auf Schadensersatz verklagt worden.

Nach dem nun ergangenen höchstrichterlichen Urteil wird Dr. Shell kaum etwas anderes übrigbleiben, als die Domain freizugeben und den von der deutschen Ölkonzerntochter geforderten Schadensersatz zu zahlen. Ursprünglich wollte er selbst von der Deutschen Shell GmbH 100.000 Mark für die Herausgabe der Domain kassieren.

Ein Anspruch darauf, die fragliche Domain übertragen zu bekommen, steht der Deutschen Shell GmbH jedoch nicht zu – so die Bundesrichter. Dr. Shell muss sie nur freigeben, woraufhin die Vergabestelle DENIC sie von neuem vergeben kann.

Die Oberlandesgerichte hatten zu diesem Problemkreis in der Vergangenheit divergierende Urteile gefällt. Es ist das erste Mal, dass das oberste deutsche Zivilgericht zu der umstrittenen Frage des Rechts auf Domainübertragung Stellung nimmt. Die Deutsche Shell GmbH wollte einen entsprechenden Anspruch vor allem aus dem Prinzip der so genannten Naturalrestitution herleiten: Danach wäre der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis – hier die unbefugte Domainnutzung durch Dr. Shell – stehen würde. Der BGH folgte dieser Argumentation nicht.

Die tragenden Gründe des Urteils werden erst morgen bekannt gegeben. Wie es aussieht, machen die Bundesrichter ihre Entscheidung aber daran fest, dass die Shell GmbH nie Eigentümerin der Domain "shell.de" war und eine Übertragung dieser Domain an sie daher keinen früheren Zustand wiederherstellen würde. Eine Ausnahme vom Prioritätsgrundsatz sei für diesen Fall nicht gerechtfertigt, so das Gericht. Schließlich sei eine Freigabe der Domain im Unterschied zu einer Übertragung auch deswegen sachgerecht, weil der Fall vorkommen könne, dass ein Kläger zwar gegenüber dem aktuellen Domaininhaber das bessere Recht an einer Domain habe, nicht unbedingt aber gegenüber dem Inhaber eines WAIT-Eintrags. Diese Entscheidung hat zur Folge, dass die Deutsche Shell GmbH unter Umständen noch weitere Prozesse gegen Inhaber eines WAIT-Eintrags führen muss, bevor sie bei DENIC selbst als Domaininhaberin registriert werden kann. Ein ähnliches Problem hatte die Firma Krupp im Kampf um "krupp.de".

In der Verhandlung bewiesen die Richter Kenntnis der technischen Grundlagen von Suchmaschinen. Beklagtenanwalt Dr. von Mettenheim fragte sie, ob sie wüssten, dass Suchmaschinen mit Schlagworten „gefüttert“ werden müssten, um eine Seite zu finden -- er brachte die Befürchtung zum Ausdruck, die Shell GmbH würde künftig seinem Mandanten verbieten wollen, Suchmaschinen mit dem Schlagwort "Shell" zu füttern, wodurch seine neue Seite gar nicht mehr gefunden werden könne. Dies sah der 1. Zivilsenat als abwegig an, verblüffte mit einer genauen Kenntnis der Arbeitsweise von Suchmaschinen und belehrte den Beklagtenvertreter darüber, dass Suchdienste üblicherweise ebenso nach dem Seiteninhalt indizieren wie nach Meta-Tags, weshalb seine Bedenken unbegründet seien. (Andreas Lober) / (psz)