Massen-Abmahnungen gegen Autohäuser

Eine Stuttgarter Anwaltskanzlei verschickt Serien-Abmahnungen. Die Online-Auftritte verschiedener Autohäuser sollen gegen einschlägige Vorschriften verstoßen.

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Von
  • Joerg Heidrich

Eine neue Einnahmequelle hat die Anwaltskanzlei Halbgewachs in Stuttgart nach Berichten von abmahnungswelle.de entdeckt: Angeblich im Auftrag des "Verbands sauberes Internet e. V." mit Sitz in Schlangenbad fordert sie Autohäuser auf, ihren Internet-Auftritt den gesetzlichen Erfordernissen anzupassen. Eine Kostennote über 446,02 Euro liegt dem Schreiben bei.

Der "Verband sauberes Internet" ist in Fachkreisen unbekannt. Kein Wunder, wurde der Verein nach Angaben des deutschen Schutzverbands gegen Wirtschaftskriminalität doch erst am 24.10.2002 gegründet und am 26.11.2002 ins Vereinsregister eingetragen. Kanzlei und Verein sind eng miteinander verquickt: Vorsitzender des Vereins ist -- wohl nicht ganz zufällig -- Reinhard Halbgewachs, der Ehemann der abmahnenden Rechtsanwältin. Die Schriftführerin des Vereins ist hauptberuflich die Sekretärin der Kanzlei Halbgewachs. Dass ausgerechnet Autohäuser die Adressaten der Serienbriefe sind, dürfte an der großen Affinität zur Branche liegen: Das Ehepaar Halbgewachs pflegt ein teures Kraftfahr-Hobby, die beiden nahmen in den vergangenen Jahren oft an Oldtimer-Rallyes teil.

Die Abmahnungen gleichen einander wie ein Ei dem anderen. Selbst das Aktenzeichen ist auf den Schreiben, die heise online vorliegen, identisch. Welcher Internet-Auftritt moniert wird und die Art des Verstoßes werden nicht genannt. Ein Rätsel auch, wie die Anwaltskanzlei eingehende Zahlungen ohne entsprechendes Aktenzeichen zuordnen will. Entgegen den einschlägigen Vorschriften enthalten die Schreiben auch keine Steuernummer. Unklar ist, wie viele Abmahnungen die Kanzlei verschickt hat. Anhand der heise online vorliegenden Meldungen dürfte die Zahl vermutlich im dreistelligen Bereich liegen.

Äußerst fraglich ist schon, ob der Verein überhaupt hätte abmahnen dürfen. Das können laut dem Unterlassungsklagegesetz nämlich nur Verbraucherschutzvereinigungen und rechtsfähige "Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen". Die Anforderungen, die an einen Verbraucherschutzverband gestellt werden, sind sehr hoch. Eine solche Vereinigung muss mindestens ein Jahr existieren und kann erst dann beim Bundesverwaltungsamt die Klagebefugnis beantragen. Diese Voraussetzungen erfüllt der "Verband sauberes Internet e. V." ganz offensichtlich nicht.

Abmahnberechtigt sind daneben rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen, "soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben". Ob alle sieben Gründungsmitglieder des Vereins Gewerbetreibende im Automobilbereich sind, darf bezweifelt werden.

Aber auch inhaltlich sind die versandten Abmahnungen wirkungslos. Die bloße Wiedergabe eines Gesetzestextes erfülle nicht die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Abmahnung und die Verpflichtung zur Übernahme von Anwaltshonoraren stellt, erklärte Rechtsanwalt Tobias H. Strömer gegenüber abmahnungswelle.de. Der Schuss könnte für die Urheber der ominösen Schreiben nach hinten losgehen: "Wir haben umgekehrt den Verband aufgefordert, die hier angefallenen Honorare wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung zu erstatten", berichtet Strömer. (Joerg Heidrich) / (uma)