iX 12/2016
S. 144
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Unterwegs mit Hörbüchern

Die Vorleser

Selbst passionierte Leseratten haben nach einem Tag vor dem Bildschirm manchmal zu müde Augen, um sich in ein Buch zu vertiefen. Warum in dem Fall nicht einfach jemanden das Buch vorlesen lassen? Hörbücher gibt es genug.

Wer sich schon einmal mit dem Thema Hörbuch beschäftigt hat, weiß, dass sie an einen Player andere Anforderungen stellen als beispielsweise Musik. Besteht das Hörbuch aus einzelnen Dateien, muss das Gerät sie in der richtigen Reihenfolge abspielen. Gerade bei längeren Werken, die man nicht unbedingt in einer Sitzung komplett anhört, ist es zudem wichtig, den Zeitpunkt, an dem man die App gestoppt hat, schnell wiederfinden zu können. Auch die Möglichkeit, einige Sekunden zurückzuspringen, um verpasste Stellen erneut zu hören oder schnell wieder ins Geschehen einzusteigen, zeichnet einen guten Player aus.

Eine Anwendung, die all dies leistet, ist „Scribd“. Gelungene Besonderheit: Scribd setzt Bookmarks innerhalb der Audiodateien, die die App auf jeder Plattform aufgreifen kann. Auf dem Mobiltelefon anfangen, im Browser auf dem Computer weiterhören, während des Nachmittagslaufs auf der Apple Watch fortfahren und abends auf dem Tablet das Ende genießen – all das ist mit Scribd kein Problem.

Die Smartwatch liest mit

Eigentlich richtet sich die iOS-App eher an Leser als an Hörer, denn im günstigsten Abo zum Preis von 7,99 Euro pro Monat sind drei Bücher und lediglich ein Hörbuch enthalten. Das Abonnement lässt sich jederzeit einfach über die Kontoeinstellungen innerhalb der App kündigen, den ersten Monat gibt es gratis zum Testen. Gleiches gilt für die Android-App. Allerdings kostet das monatliche Abo hier 9,99 US-Dollar.

Wer mehr möchte, kann jeweils zusätzliche (Hör-)Bücher per In-App-Kauf erstehen. Scribd ist eine der wenigen Hörbuch-Apps, die auf iOS auch eine Variante für die Apple Watch anbieten. Darüber lassen sich einige einfache Nutzerinteraktionen auf die Smartwatch verlegen. So kann man zum Beispiel vor- und zurückspulen, zwischen Kapiteln hin- und herspringen und mit Playlisten interagieren.

Einer der Marktführer im Hörbuchsegment ist „Audible“. Da es sich um ein Tochterunternehmen von Amazon handelt, muss man nicht zwingend ein Abo bei Audible abschließen, sondern kann sich mit seinen Amazon-Daten anmelden und Hörbücher erstehen. Alternativ steht eine Audible-Mitgliedschaft zum monatlichen Preis von 9,95 Euro zur Verfügung. Darin enthalten ist der Download eines Hörbuchs pro Monat.

Die Bedienoberfläche ist umfangreich und ein wenig verwirrend, man sollte etwas Zeit einplanen, um sich mit der Benutzung der App vertraut zu machen. Wer Gamification mag, wird die Trophäen lieben, die man durch ein bestimmtes Hörverhalten verliehen bekommt – wer möchte nicht gern als Nachteule, Prokrastinator oder Wiederholungstäter gelten?

Nutzer von „Spotify“ wissen sicherlich, dass der schwedische Musikstreamingservice auch eine nicht geringe Anzahl an Hörbüchern bereithält. Leider sind diese oft schwer zu finden, denn die Navigation ist eindeutig auf das Suchen alter und das Entdecken neuer Musikstücke ausgelegt. Lediglich in der Kategorie Erzählungen wird der Hörbuchliebhaber fündig. Doch auch hier empfiehlt es sich, bereits vorher genau zu wissen, welches Buch oder welche Geschichte man hören möchte, ansonsten fühlt man sich leicht überwältigt.

Doch zum Glück gibt es „Spooks“. In ähnlichem Design wie Spotify nimmt sich diese App der Hörbuchkategorisierung an. Audiodateien lassen sich nicht nur nach ihrem jeweiligen Genre (Spannung, Humor, Romane, Klassiker, Sachbücher und viele mehr) ordnen, sondern es gibt auch eine Übersicht über die Neuheiten, Bestsellerlisten für Hörbücher und Hörspiele sowie Geheimtipps und den Hörbuchtipp der Woche.

Zwar befindet sich Spotifys Hörbuchsparte noch im Aufbau, doch Stücke, die bereits zur Verfügung stehen, lassen sich mithilfe von Spooks einfach und direkt finden. Hat der Interessent sich für ein Buch oder ein Hörspiel entschieden, öffnet es der Play-Button in Spotify. Doch aufgepasst: Die Hörbücher sind in Playlisten angelegt – will man diese in der richtigen Reihenfolge hören und nicht in einer zufälligen, muss man ein kostenpflichtiges Spotify-Premiumabo abschließen. Zum Ausprobieren steht der Service für die ersten 30 Tage kostenlos zur Verfügung. Spooks gibt es für Android und iOS, eine Web-App ist in Arbeit.

Auf die Oberfläche kommt es an

Schaut man sich unter spezialisierten Hörbuch-Apps für Android um, so stechen drei aus der Masse heraus: „MortPlayer“, „Smart AudioBook Player“ sowie „Listen AudioBook Player“. Alle drei gehen davon aus, dass sich schon Hörbücher oder Hörspiele auf dem Android-Gerät befinden oder der Nutzer sie in Zukunft selbstständig auf sein Gerät lädt. Jede der Apps fragt beim ersten Start nach einem Suchpfad im Android-Dateisystem. Idealerweise hat man sich bereits zu diesem Zeitpunkt überlegt, wo man die Bücher speichert, denn das spätere Ändern dieses Pfades ist nur über zum Teil tief in den App-Einstellungen versteckte Menüpunkte möglich.

Die Apps unterscheiden sich im Wesentlichen durch ihre Oberfläche und den Bedienkomfort. Der klare Gewinner ist hier Smart AudioBook Player. Seine Oberfläche ist aufgeräumt und modern und auch hinsichtlich ihrer Features muss sich die App nicht verstecken. Die Bedienelemente zum Kontrollieren der Wiedergabe haben sinnvolle Standardwerte von zehn Sekunden oder einer Minute zum Vor- und Zurückspringen im Buch. Die Einstellungen erlauben auch das Anpassen all dieser Werte, und die Abspielgeschwindigkeit kann der Nutzer problemlos im Bereich von halb bis zweieinhalbmal so schnell einstellen. Ein konfigurierbarer Einschlafmodus rundet das Ganze ab. Smart AudioBook Player ist kostenlos erhältlich, fällt aber nach 30 Tagen in einen Basic-Modus mit eingeschränktem Funktionsspektrum zurück, wenn man ihn nicht per In-App-Kauf wieder aufhebt.

Die Oberflächen der kostenlosen MortPlayer und Listen AudioBook Player wirken eher unaufgeräumt und im Fall von MortPlayer sogar chaotisch. Unter anderem ließen sich verschiedene MP3-Dateien nicht richtig spulen – ein Problem, das die beiden Alternativen und VLC mit denselben Dateien nicht hatten. Positiv erwähnenswert in Listen AudioBook Player sind Einstellungsmöglichkeiten für sogenannte automatische Verhaltensweisen. So lässt sich etwa festlegen, dass ein Buch anhalten soll, wenn E-Mail- oder Chat-Benachrichtigungen eingehen, oder dass die App das Buch nach Beendigung eines Telefongesprächs automatisch weiterspielt.

Um mit dem Download oder Streaming von Hörbüchern verbundene Geldausgaben zu vermeiden, hat der Anwender im Wesentlichen zwei Möglichkeiten. Zum einen das Nutzen eines Dienstes, der kostenlose Hörbücher anbietet. In der Regel handelt es sich dabei um sogenannte gemeinfreie Werke, für die kein Urheberrecht besteht. In Deutschland betrifft dies literarische Werke, deren Autor vor mindestens 70 Jahren verstorben ist.

Ein Anbieter, der sich dieses Prinzip erfolgreich zunutze macht, ist Vorleser.net. Mehr als 750 Hörbücher stehen in dieser App zur Verfügung. Doch nicht alle sind urheberrechtsfrei, manche Werke haben zeitgenössische Künstler zur Vervielfältigung freigegeben. Professionelle Sprecherinnen und Sprecher nehmen kontinuierlich Texte auf, die den Service ergänzen.

Kostenloser Hörgenuss

Die App selbst ist bedienerfreundlich und intuitiv nutzbar. Vorleser.net gibt es kostenlos, der Zugriff auf fast alle Hörbücher ist inklusive. Nur für wenige Werke erhebt der Anbieter eine Gebühr, um den Service weiterhin zu finanzieren. Wer die Werbung am unteren Rand der App loswerden möchte, kann für 2,99 Euro im Jahr ein Premiumabo abschließen.

Auch Audiobooks HQ macht sich das Prinzip der gemeinfreien Werke zunutze. Diese App bietet mehr als 9750 kostenlose Hörbücher an, die aus den Verzeichnissen von LibriVox Live, Podiobooks Live und dem Globe Radio Repertory stammen und direkt aus der App heraus ausgewählt werden können. Zusätzlich gibt es im integrierten Shop über 100 000 weitere kostenpflichtige Hörbücher. Die Mehrheit der Titel liegt jedoch auf Englisch vor. Nettes Feature in diesem Player: Lesezeichen kann der Nutzer selbst benennen und so Textstellen, die er vielleicht mehrmals hören möchte, unmissverständlich markieren.

Die zweite Möglichkeit, kostenlos an Hörbücher zu kommen, ist über die örtliche Bücherei. Viele Bibliotheken bieten den Download von Audiodateien über das Onleihe-System an. (ka)