iX 3/2016
S. 146
Medien
App-Infos
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Retro-Stil auf dem Smartphone

Verpixelt

Viele Nutzer erinnern sich gerne an ihre Anfangszeiten mit Heimrechnern und analogen Medien zurück. Um die Zeit wiederaufleben zu lassen, muss man aber nicht das alte Gerät vom Speicher entstauben – auch auf aktuellen Smartphones lässt sich viel Retro-Spaß haben.

Mit den Jahren verändern sich die Geschmäcker und Vorlieben von Menschen. Das gilt gerade für Themen wie Architektur, Design, Musik oder Film. Das hat viele Gründe und fängt mit der sozialen Prägung des Musikgeschmacks während der Teenagerzeit an und geht bis hin zu breiteren gesellschaftlichen Trends.

Von daher ist es verständlich, dass in regelmäßigen Abständen immer mal wieder Retro hip und modern ist. Aber die Definition dieses Begriffes fällt oftmals schwer und ist zudem abhängig vom Auge des Betrachters. Für die Autoren dieser Zeilen fallen zum Beispiel Audio-Kompaktkassetten oder der Commodore 64 in die Retro-Kategorie. Für die gerade dem Teenager-Alter entwachsenen Leser mögen bereits Audio-CDs und DVD-Player zur Retro-Technik zählen. In dieser Ausgabe der App-Infos suchen wir daher nach Apps im Retro-Stil (siehe „Alle Links“).

Wählen mal umständlich

Wir beginnen mit einem Telefon mit Wählscheibe. Wer sich nach den alten Zeiten sehnt, in denen man für ein Telefongespräch noch umständlich mit einer solchen hantieren musste, sollte einen Blick auf Rotary Dialer für iOS werfen. Zum Preis von 0,99 Euro hält die App, was sie verspricht: Sie bietet eine Wählscheibenfunktion für das Mobiltelefon – nicht mehr, nicht weniger.

Es gibt fünf verschiedene Designs zur Auswahl; statt eine Telefonnummer wie gewohnt über das Drücken von Tasten einzugeben, muss man mit dem Finger der Wählscheibe folgen. Zum Abrunden des Retro-Feelings gibt es auch das Ratschgeräusch, mit dem sich die Apparatur vor- und zurückdreht. Ob man das Telefongespräch über den Netzwerkbetreiber oder Skype führen möchte, kann man in den Einstellungen festlegen.

Super wäre es, wenn Rotary Dialer zusätzlich auf gespeicherte Kontakte zugreifen könnte, im Idealfall in Form eines alten Adressbuchs, das man in den 70er- und 80er-Jahren oft unter dem Wählscheibentelefon installiert hatte. Das ist aber zurzeit leider Wunschdenken der Autorin. Für ein bisschen Wählscheibenspaß lohnt sich die Anschaffung für iOS-Geräte dennoch.

Für Android-Nutzer bieten sich die Apps Rotary Dialer Free (kostenlos) oder Rotary Dialer Pro (1,82 Euro) an. Die App ist in beiden Versionen wie ihr iOS-Pendant einfach gehalten und erlaubt die Auswahl zwischen sechs verschiedenen Themen und zwei Wählgeräuschen. Gut gemacht ist, dass das Gerät eine deutlich spürbare Vibration bietet, wenn man beim Stopper angekommen ist. So weiß man als Nutzer sofort, dass man die richtige Ziffer erreicht hat. Der einzige sichtbare und dokumentierte Unterschied zwischen der kostenlosen und der Pro-Version liegt darin, dass die freie App Werbung anzeigt.

Smarter Rundfunk

Aber nicht nur im Bereich der Telefonie gibt es Retro-Apps, auch wenn es um das Thema Radio geht, ist Vintage populär. Ein besonders gelungenes Beispiel ist 60s70s. Hierbei handelt es sich um eine iOS-Anwendung, die Lieder aus der eigenen iTunes-Bibliothek abspielt, jedoch nicht im modernen Design, sondern in einem visuell ansprechenden Transistorradio-Look. Es gibt eine ganze Reihe verschiedener Radios zur Auswahl, vielleicht ist sogar das eine oder andere dabei, an das man sich noch aus der Kindheit erinnert. Songs spielt das Programm inklusive sphärischen Rauschens ab.

Zu jedem Zeitpunkt lassen sich die Frequenzsucher drehen und somit verschiedene Lieder abspielen. Ganz realitätsnah gibt es keinen gesteuerten Songstart, das Radio beginnt ab der Stelle, an der die App das Lied gerade durchspielt. Wer mag, kann sich sogar eigene Radiosender einrichten – im Gegensatz zum Shuffle-Modus verhindert man damit das gelegentliche Auftauchen eines Hörbuchs im Musikfluss. Das empfehlenswerte 60s70s ist kostenlos für iOS-Geräte erhältlich.

Wer statt auf Radio eher auf Audio-Kompaktkassetten oder gar Langspielplatten steht, für den finden sich natürlich genauso entsprechende Musik-Apps. Eine der gelungensten für Android ist das kostenlose Casse-o-player. Die App bietet fast 30 verschiedene Typen von historischen Kompaktkassetten, darunter auch den Klassiker „BASF LH extra I“, eine der ersten Kassetten, die der Autor selbst als Kind für Aufnahmen aus dem Rundfunk benutzte. Neben dem jeweiligen Medium zeigt das Programm Lautstärkeregler an und auch hier kann man zwischen verschiedenen Designs wählen: klassische VU-Regler oder eher LED-Leisten aus den späten 1980er- und 1990er-Jahren. Besonders toll: Während des Abspielens eines Liedes oder einer Playlist spult das virtuelle Band von der linken zur rechten Spule. Der einzige Haken: Die kostenlose App blendet Werbung ein, eine andere Version gibt es nicht.

AirCassette bietet ähnliche Funktionen für iOS. Die App kostet 1,99 Euro, ist dafür allerdings frei von Werbung. Auch hier spult das Band passend zum Lied oder der Playlist, die das Programm selbstverständlich als Mixtape bezeichnet. Lautstärkeregler findet man hier nicht, dafür nimmt das Kompaktkassetten-Design den gesamten Bildschirm ein. AirCassette kommt übrigens mit 15 solcher Visualisierungen, ebenfalls eine gelungene Auswahl von Klassikern. Für weitere 0,99 Euro kann man per In-App-Kauf noch sechs weitere Designs erstehen.

Retromatic ist ein Bildbearbeitungsprogramm, mit dem sich schnell Retro-Effekte für Fotos erzielen lassen. Insbesondere für Porträts ist die App empfehlenswert. Einfach ein bestehendes Foto aus dem Album laden oder direkt ein neues Bild aus der App heraus aufnehmen und anschließend die gewünschte Person oder den Gegenstand „ausschneiden“. Das klappt mit ein bisschen Übung selbst mit ansonsten eher ungeschickten Fingern. Danach gilt es, Vintage-Hintergründe und Retro-Elemente zu ergänzen. Auch Text kann man dem Retro-Look hinzufügen. Gefällt das Kunstwerk, kann man es entweder auf Instagram oder Facebook veröffentlichen, auf Path On (einer weiteren App des Entwicklers Peta Vision) weiter bearbeiten oder im Fotoalbum des Gerätes speichern. Retromatic gibt es für iOS-Geräte, wer die Anwendung hauptsächlich auf dem iPad nutzen möchte, sollte zur HD-Version greifen. Beide Versionen gibt es zum Preis von jeweils 1,99 Euro.

Eine Bildbearbeitungs-App, die man vielleicht nicht ganz so bierernst nehmen sollte, ist Glitchr für Android. Das Programm erlaubt es, Fotos im Stil eines Heimcomputers oder einer Spielekonsole der 80er- und 90er-Jahre darzustellen. Man kann mit Glitchr entweder auf die Fotobibliothek zugreifen oder mithilfe einer installierten Kamera-App ein neues Bild aufnehmen. Die Benutzeroberfläche ist im Design eines frühen Macintosh-Desktops gehalten und erlaubt unter anderem das Darstellen von Fotos im Stil des Game Boy oder der Game-Boy-Kamera. Natürlich dürfen auch das Nintendo Entertainment System (NES), der ZX Spektrum oder eine VHS-Kassette (mit leicht verschwommenen Datums- und Zeitstempeln) nicht fehlen. Die kostenlose App hat keine Werbung und ist für harmlosen Spaß mit Retrofotos ein Muss.

SSH-Kathodenröhre

Aber Retro-Inspiration findet man heutzutage auch in eher ernsthaften Anwendungen. Die iOS-App Cathode zum Preis von 4,99 Euro ist ein SSH-Client, mit dem man als Sysadmin schnell vom Telefon oder Tablet auf seine Server zugreifen kann. Das Besondere an Cathode ist, dass das Programm dieser eigentlich eher langweiligen Aufgabe interessante visuelle Effekt beimischt. Wie der Name der App bereits andeutet, kann man damit das typische Bildschirmerlebnis einer Kathodenstrahlröhre nachempfinden. Zum einen bietet sie verschiedene Schriftarten und -farben für den Text, zum anderen aber lassen sich die Krümmung der Röhre, die Glühstärke oder Einbrenneffekte simulieren. Wer das alles nicht braucht, kann Cathode natürliche genauso als normale SSH-/Terminal-App nutzen. Cathode gibt es zum gleichen Preis in Apples App Store für Mac OS X.

Zum Abschluss noch ein kurzer Blick auf das virtuelle Equivalent eines Hits aus den 60er-Jahren. Die kostenlose und werbefinanzierte iOS-App LavaLamp Night Light stellt die psychedelischen Blaseneffekte einer Lavalampe auf dem Display des Gerätes dar, und mit Farbreglern kann man die innere und äußere Farbe einstellen. Durch Tippen auf die Blasen der Lampen lassen sie sich manipulieren oder voneinander trennen. Nutzt man das Programm zum Entspannen, nervt die Werbung allerdings zu sehr. Zum Preis von 1,99 Euro lässt sie sich per In-App-Kauf abschalten. (fo)