iX 4/2016
S. 3
Editorial
April 2016
Susanne Nolte

Bedingt beziehungsfähig

Letztens hat Microsofts Ex-CEO Steve Ballmer seinen Nachfolger gelobt. Denn der kümmere sich so liebevoll um Offenheit und Linux. Anlass war die Ankündigung, dass die kommende Version der relationalen Datenbank MS SQL Server auch für Linux verfügbar sein soll.

Das war mal anders: Gerade 15 Jahre ist es her, dass Microsoft Firmen dafür bezahlte, dass sie die Open-Source-Gemeinde nicht durch Treiber und Software unterstützen. Motiviert waren diese Bestechungen durch die Angst, Linux, „a cancer that attaches itself in an intellectual property sense to everything it touches“, so Steve Ballmer damals, könnte die Regeln in Microsofts durch und durch geschlossener Welt ändern.

Seitdem scheinen die Redmonder ihre pubertären Rüpeleien ad acta und sich Manieren zugelegt zu haben. In der Rückschau wirkt der Software-Riese von damals tatsächlich wie ein trotziger Teenie, der sein mit Postern behängtes Zimmer und seine Clique für den Nabel der Welt hält, der er – ganz in Halbstarken-Manier – seinen Stempel aufdrücken kann.

Nun, so scheint es, kommt Microsoft gereifter und desillusionierter daher. Grund zur Ernüchterung hatte die Firma in den letzten Jahren genug: Den Kampf ums Web powered by IIS, IE und eigenen Standards hat sie inzwischen verloren, auch andere Schlachten liefen nicht immer nach Plan. Einiges wie das High-Perfomance Computing entglitt ihr ganz.

Stattdessen machte sich immer mehr unter GPL, Apache- und BSD-Lizenzen stehende Software auf Windows breit – trotz aller Versuche, die Anwender dagegen zu impfen. Vergeblich, schließlich lag es auch immer im Interesse der Redmonder, dass sich Windows-Anwender nicht dafür interessieren, wie Software entsteht und welche Konzepte sich dahinter verbergen – solange der Computer tut, was er soll. Ideale Voraussetzungen fürs Cloud-Computing.

Und nun ein neues Open-Source-Engagement? Was heißt hier neu – bereits seit Jahren arbeitet Microsoft mit der Eclipse Foundation zusammen und engagiert sich im Open Compute Project. Nachdem der Anteil der Linux-basierten VMs im Azure Marketplace auf über 60 Prozent gestiegen ist, verkauft Microsoft nun RHEL-Lizenzen. Und Serveranwendungen nur für das eigene Betriebssystem bereitzustellen, während viele wichtige Open-Source-Anwendungen seit Jahr und Tag auf Windows laufen, ist nur noch für die schrumpfende Schar der Microsoft-Fans sexy, nicht aber für den, der das Cloud-Geschäft wittert.

All das strategische Gebaren sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Open Source, der sich Microsoft nun so zugetan sieht, auf Prinzipien beruht, die den eigenen grundlegend widersprechen. Bedingt Erstere Transparenz und Mitentscheidung, sind die Software-Entwicklungsprozesse in Redmond nicht unbedingt das, was die Open-Source-Gemeinde als ideal bezeichnen würde. Denn nach wie vor kommen aus den Redmonder Chefzimmern einsame Designentscheidungen und unnachgiebige Zeitvorgaben, die das Fixen bereits durch hausinterne Tests bekannt gewordener Fehler nicht vorsehen und zu „Bananen-Software“ führen. Und beim Eintreiben von Tantiemen ist Microsoft auch gegenüber den Open-Source-Anbietern nicht pingelig.

Kooperationsverträge und Foundation-Mitgliedschaften mögen das komplizierte Verhältnis zwischen Microsoft und der Open-Source-Gemeinde vordergründig verbessern. Eine harmonische Beziehung entsteht erst, wenn das „Krebsgeschwür“ auch Microsoft erfasst und die Redmonder Beziehungsfähigkeit lehrt.

Unterschrift Susanne Nolte Susanne Nolte