iX 11/2017
S. 3
Editorial
November 2017
Moritz Förster

Vom Sein des Scheins

Endlich ein gescheiter Laptop für den harten Einsatz im mobilen Büro! So klangen die Hoffnungen, als Lenovo in Vorbereitung des 25. Geburtstags der Serie ein Retro-ThinkPad ankündigte. Nicht als Museumsstück, sondern für den Alltag wünschten sich überraschend viele Kommentatoren einen solchen Rechner.

Überraschend? Nicht, wenn man genauer hinsieht. Denn Lenovo hat zu viele Modelle immer stärker von dem entfernt, was Unternehmenskunden im Kern noch immer mit dem Namen ThinkPad verbinden: Gnadenlos auf professionelle Nutzer zugeschnittene Hardware. Ein Gehäuse wie ein Ziegelstein und eine präzise Tastatur, die das Kaffeebad mit offenen Armen empfängt. Gepaart mit einem standfesten Akku, einem sonnentrotzenden Bildschirm und natürlich einem anpassbaren TrackPoint.

Stattdessen dominieren heute bei den als innovativ angepriesenen Neuvorstellungen ein Bildschirmformat fürs Kino, flache Gehäuse mit noch flacheren Tastaturen und spiegelnde Touchscreens. Alles auf Kosten der ursprünglichen Qualitäten der Serie. Aber die sind langweilig – lieber versprechen sich die Hersteller bei jedem neuen Hype eine Wende im ewigen Abwärts des PC-Markts. Die Spielereien zogen bei Endnutzern, doch nicht im Büro.

Erkannte Lenovo also seinen Irrtum und lieferte den Nutzern endlich den perfekten Laptop? Nein, denn er basiert zum Großteil einfach auf einem bereits verfügbaren Modell. Sicher, es handelt sich um einen hervorragenden, aktuellen Laptop. Den großen Hoffnungen konnte er so aber nicht gerecht werden.

Dafür haben ihn die Designer fleißig angepasst: Das alte Logo ziert das Gehäuse und die Eingabetaste ist wieder blau. Folglich liegt er ganz im Retro-Trend, dem selbst Konzerne wie Lenovo mittlerweile hinterherlaufen. Dabei verstecken Hersteller ihren Mangel an Innovationen unter einer hippen Farbschicht und einem nostalgischen Marketing.

Vielmehr sollten die Designer die Grundidee von IBM in moderner Technik weiterführen. Denn alte ThinkPads wirken trotz, nicht wegen ihres Alters als etwas Begehrenswertes. Wenn ein neuer Rechner desselben Formats eine solche Robustheit, einen aktuellen Akku, ein Panel für die Büroarbeit statt für den Film am Abend bieten würde, wäre er bereits eine gute Wahl fürs Unternehmen. Schaffen es die Entwickler, dass das Gerät unter einem Kilogramm bleibt und ohne Lüfter auskommt, gäbe es endlich eine richtige Innovation für den Markt.

Unterschrift Moritz Förster Moritz Förster