iX 1/2018
S. 106
Wissen
Storage
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Kurz erklärt: Alternativ magnetisierte Festplatten

Hürdenlauf

In der Disziplin GByte/Euro liegen Festplatten noch immer vor SSDs. Nun sollen energiegestützte Aufzeichnungsverfahren die nächste Kapazitätssteigerung liefern.

Zehn Jahre etwa sind sie nun auf dem Markt: Festplatten, die ihre Bits senkrecht ausrichten, um Platz zu sparen. Dabei ist das Perpendicular Magnetic Recording (PMR) alles andere als trivial. Denn Festplattenleseköpfe „ertasten“ die Bits mit zwei getrennten magnetischen Schichten, den Polen, die das zu lesende Segment, also die Domäne eines Bits, gewissermaßen in die Zange nehmen.

Einer der beiden Pole hat eine stabile Magnetisierungsrichtung, der andere nicht. Sie ändert sich durch das längst zur Spur ausgerichtete Magnetfeld auf der Scheibe, das sie gerade überfliegen. Dreht die Domäne die Magnetisierung des variablen Lesekopfpols in dieselbe Richtung wie die des nicht variablen, erhöht sich der Stromfluss, der Controller interpretiert das als „1“, dreht sie ihn in die andere, erhöht sich der Widerstand, der Stromfluss nimmt ab, das Bit steht auf „0“.

Wechselt man von diesem Longitudinal Recording zum PMR, muss der Lesekopf mit einem seiner beiden Pole quasi unter die Magnetschicht der Scheibe „fassen“, also das Magnetfeld durch sie hindurchführen. Hersteller verwenden dazu eine zweite, magnetisch „weiche“ und zugleich relativ dicke Trägerschicht, die das Feld zum zweiten Pol zurückleitet. Unterschiedlich große Pole und ein Material, das sich schwerer entmagnetisieren lässt, verhindern, dass das Magnetfeld des Lesekopfes die Bits in der Umgebung des zweiten Pols beeinflusst.

Das aber heißt, Schreib- und Leseköpfe werden komplexer, können sich der Miniaturisierung der Spuren aber nicht verschließen. Die Tatsache, dass die Schreibköpfe dem Trend nicht mehr folgen können, hat die Hersteller auf die Idee gebracht, die Spuren dachschindelartig anzuordnen und damit ihre Zahl zu erhöhen. Als Hausnummer nennen sie eine Kapazitätssteigerung von 25 Prozent bei den seit 2013 erhältlichen Platten.

Schreiben mit Datenverlust

Bei diesem Shingled Magnetic Recording (SMR) überschreibt der Kopf einen Streifen der vorherigen Spur, wodurch sie sich überlappen, lässt aber genug für den Lesekopf stehen. Schäden trägt allerdings die Folgespur davon, was zur sogenannten Überlappungsfortpflanzung führt, das heißt, die Daten auf der Folgespur muss der Kopf dann ebenfalls neu schreiben und so weiter. Damit sich das nicht bis zum Ende der Platte fortsetzt, befinden sich in regelmäßigen Abständen Lücken.

Allerdings reduziert das Neuschreiben der Nachbarspuren die Schreibgeschwindigkeit. Deshalb verzichten die Hersteller bei den schnellen Außenspuren auf das Überlappen und verwenden diesen Außenring als Cache, von dem aus die Daten später auf ihren endgültigen Plätzen in der Schindelzone landen.

Festplatten, die die Datenverwaltung selbst regeln, heißen Device-managed und unterscheiden sich nicht von herkömmlichen Modellen. Bei sogenannten Host-managed HDDs hingegen muss das Betriebssystem Vorkehrungen treffen, dass die Platte keine Daten überschreibt.

Unbekannter ist das 2016 vorgestellte Two-Dimensional Magnetic Recording (TDMR). Bei diesem Verfahren liest ein Doppellesekopf zwei Bitreihen auf einer Spur oder zwei eng beieinanderliegenden Spuren. Wie SMR soll TDMR die Speicherdichte von 1,1 auf 1,4 GBit/in2 heben.

Die derzeitige Grenze der fortschreitenden Miniaturisierung der Bitdomänen bildet der Superparamagnetismus. Er beschreibt den Vorgang, bei dem Partikel auch unterhalb ihrer Curie-Temperatur ihre magnetische Ausrichtung durch Wärme verändern, diese also instabil wird. Üblicherweise verliert ein Material seine ferromagnetische respektive -elektrische Eigenschaft erst oberhalb seiner spezifischen Curie-Temperatur. Der Superparamagnetismus hingegen tritt auf, wenn magnetische Teilchen eine vom Material abhängige Größe unterschreiten und dadurch die zum Ändern der Magnetisierungsrichtung zu überwindende Energiebarriere niedrig genug ist.

Will man die Bits weiter verkleinern und dem Datenverlust durch dem Superparamagnetismus entgehen, muss man die Koerzitivfeldstärke und damit die Energiebarriere erhöhen, also zu anderen – stabileren – Materialien greifen. Das erhöht aber den Energieaufwand beim Schreiben der Bits. Richten sollen es energiegestützte Schreibverfahren.

Länger im Gespräch ist das Heat-assisted Magnetic Recording (HAMR), das die zu beschreibenden Bit-Domänen mit einem Laser über die Curie-Temperatur erhitzt, um das nötige Magnetfeld schwach zu halten. Lässt man die Bewertung des magnetischen Balanceakts und die erhöhte Gefahr von Head-Crashes als spekulative Argumente unberücksichtigt, bleiben zwei große Nachteile: Erstens steigt die Arbeitstemperatur der Platten und zweitens verdampft beim Erhitzen das Schmiermittel der Scheiben. Nachschub will Seagate etwa in nanometerdünnen Kohlenstoffröhrchen speichern und bei Bedarf freigeben. Sollten Ende 2018 tatsächlich erste Modelle erscheinen, hat Seagate nach dem Kauf des Optical-HAMR-Entwicklers Quinta 20 Jahre in die Technik investiert.

Einen anderen Weg geht derzeit Western Digital mit seinem Microwave-assisted Magnetic Recording (MAMR). Hier sitzt ein Spin Torque Oscillator (STO) am Schreibkopf. Er erzeugt mit Mikrowellen bei einer Frequenz von 20 bis 40 GHz ein Energiefeld, das die Koerzitivfeldstärke des Domänenmaterials verringert. Erste Modelle sind für 2019 angekündigt. HAMR und MAMR sollen die Bitdichte auf 4 TBit/in2 steigern. (sun)