iX 2/2018
S. 72
Report
Digitalisierung
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Digitale Transformation durch Kooperation

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Ein Baustein auf dem Weg zu einem digital erfolgreichen Unternehmen kann eine Kooperation mit Start-ups sein. Damit das Erfolg hat, gilt es jedoch, einiges zu beachten.

Start-ups haben kein oder wenig Kapital, keine oder wenige Kunden, keine starke Marke. Dennoch werden sie manchmal als Schreckgespenst des etablierten Mittelstands dargestellt – die jungen, agilen Unternehmen, die Märkte im Sturm erobern und dabei keine Gefangenen machen. Wie passt das zusammen?

Die Antwort ist einfach: Es passt nicht. Mythos und Wirklichkeit gehen hier weit auseinander. Der Grund dürfte darin bestehen, dass spektakuläre Einzelfälle sensationell erfolgreicher Neugründungen unzulässig verallgemeinert werden. Die Geschichte einer Garagengründung, die über Nacht zum Milliardenbusiness wurde, liest sich spannender als ein Bericht über viele Jahre harter Arbeit, die zu ansehnlichem und respektablem, aber keineswegs gigantischem Erfolg führte.

Des Weiteren blendet der auf Sensationen gerichtete Blickwinkel die Quote des Scheiterns von Start-ups aus. Verschiedene Studien zeichnen ein sehr ungenaues Bild der tatsächlichen Situation [1]. Dazu gehört auch, dass die Definition von „Start-up“ nicht klar ist. Im wörtlichen Sinn kann man darunter jede Unternehmensneugründung verstehen. Für unser Thema ist ein anderes Verständnis hilfreicher, etwa das von Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de: Er versteht unter einem Start-up ein „schnell wachsendes Digital-Unternehmen“. Mit diesem Begriffsverständnis geht er davon aus, dass sieben von zehn Start-ups scheitern. Von den übrigen drei entwickeln sich zwei gut, eines sehr gut [1].

Gibt es also gar keine Gefahr, die von Start-ups ausgeht? Doch, aber sie hat mehr mit dem Verhalten der potenziell bedrohten Unternehmen zu tun als mit dem Start-up selbst. Sehr vereinfacht gesagt: Das Start-up macht lediglich etwas anders als der etablierte Wettbewerb. Wenn Letzterer seine Haltung des „Das haben wir schon immer so gemacht“ ändern könnte, wäre das Start-up nicht mehr im Vorteil. Dass das nicht so einfach ist, war bereits Thema im vorhergehenden Artikel zur Strategiefindung [2] und zeigt sich auch in den folgenden Ausführungen.

Kooperieren Sie mit einem Start-up!

Was fängt ein etabliertes mittelständisches Unternehmen, das noch nicht in der digitalen Welt zu Hause ist, mit Start-ups an? Der Bitkom hat in seinem Digitalisierungsleitfaden einen Tipp: Kooperieren! [3] Warum ist das sinnvoll und was ist dabei zu beachten?

Für das „Warum“ kann es zwei Gründe geben: Das Start-up hat etwas Digitales, das der Mittelständler nicht hat. Oder: Das Start-up kann etwas Digitales, das der Mittelständler nicht kann.

Der erste Fall ist einfach: Beide Seiten einigen sich auf einen Kauf, eine Lizenzierung oder sonst eine Überlassung von Nutzungs- oder Vermarktungsrechten. Dazu ein Beispiel: Das Start-up „Great Games UG“ hat ein innovatives, kostenpflichtiges Spiel für Smartphones entwickelt, das als B2C-Produkt über den App-Store vertrieben wird. Der Spieler kann im Rahmen des Spiels virtuelle Produkte mit Fantasienamen per In-App-Purchase kaufen.

Die „Good old promo GmbH & Co KG“, ein Hersteller von Werbemitteln, sieht in dem Spiel das B2B-Potenzial als digitales Werbegeschenk für seine Kunden, in denen die Fantasienamen durch reale Namen mit Firmenbezug ersetzt werden. Beide Firmen vereinbaren eine Lizenzierung des Spiels mit dem Ziel, die Branded Version für Endanwender kostenlos zu vertreiben.

Der zweite Fall ist viel spannender. Im Allgemeinen ist das Potenzial in diesem Fall größer, das Risiko aber auch. Für einen digitalen Nachzügler kann eine Kooperation mit einem digital kompetenten Start-up einen Sprung in die Zukunft bedeuten, der andernfalls nur durch langwierige Lernprozesse zu erreichen ist. Doch auch für eine Kooperation muss man bereit sein – und unter Umständen bereits vorher etwas lernen. Das gilt übrigens für beide Seiten.

Die Zusammenarbeit kann verschiedene Formen annehmen. Damit ein langfristiger Effekt entsteht, ist eine echte Partnerschaft erforderlich. Die weitreichendste Form ist eine Fusion oder Übernahme. Dabei prallen mit hoher Wahrscheinlichkeit zwei Welten aufeinander, deren Kompatibilität erst hergestellt werden muss. Es geht im Kern um Unternehmenskultur.

Die Good old promo GmbH & Co KG aus dem Beispiel könnte sich entscheiden, die Great Games UG zu kaufen. Mit welchem Interesse?

Wie kooperieren?

Szenario 1: Man will das Spiel in der beschriebenen Weise für weitere Werbekunden vertreiben. Die Übernahme der Great Games UG ist im Vergleich zu wiederholten Lizenzzahlungen günstiger. Von außen betrachtet verschwindet Great Games als Spielehersteller vom Markt.