iX 2/2018
S. 6
Leserbriefe
Februar 2018

Leserbriefe

Erfolgsstory

(Editorial: Kein Platz für Idealismus; iX 01/2018, S. 3)

„Open-Source-Software als eigenständiges Geschäftsmodell ist gescheitert.“ Bitte was? Red Hat beweist das absolute Gegenteil – eine Firma, für die mal eine Lanze gebrochen werden muss angesichts des schlechten Lichts, in das sie hier gerückt wurde. Da wird gar nichts „hinter Supportverträgen verriegelt“, sondern es wird genau das umgesetzt, was es laut Artikel angeblich nicht gibt: Nämlich, dass ohne die Verletzung von Idealen mit freier Software Geld verdient wird. Genauer gesagt mit der Expertise, die beim Entwickeln und Verbreiten freier Software gesammelt wird.

Freie Software heißt nämlich nicht, dass deren Entwickler den Nutzern 24/7 kostenfrei für Anfragen, Beratungen, Feuerwehreinsätze und Spezialaufträge zur Verfügung stehen. Gleichwohl ist das eine Dienstleistung, die viele Unternehmen zwingend benötigen, da der Aufbau von eigenem Know-how in vielen Fällen zu langwierig, zu schwierig oder schlichtweg unwirtschaftlich ist. Gäbe es keinen Enterprise-Support, wären sie gezwungen, auf proprietäre Produkte zu setzen.

Und gerade bei „lizenzpflichtigen Extras“ ist Red Hat massiv dabei, diese abzubauen und unter freie Lizenzen zu stellen. Jüngst erst wurde mit Ansible Tower bzw. dem AWX-Projekt wieder eine zugekaufte, teure kostenpflichtige Lösung FOSSed. Und während viele proprietäre IBM- und Oracle-Produkte gerade einen Niedergang erleben, ist Red Hat mit seinem Portfolio freier Software mit Enterprise-Support allein in diesem Jahr wieder über 50 % im Aktienkurs gewachsen.

Das Resümee der Freie-Software-Bewegung in den letzten beiden Jahrzehnten ist nicht, dass „kein Platz für Idealismus“ ist, sondern dass viele der Ideale von damals bereits heute Realität sind und dass es mehr freie Software gibt denn je – Marktanteile steigend. Freie Software ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte, und Geschäftsmodelle, die auf freie Software setzen, sind in fast allen Fällen deutlich erfolgreicher als ihre konservativeren Konkurrenten.

Patrick Fink, Berlin

Komplexität reduzieren

(Editorial: Kein Platz für Idealismus; iX 01/2018, S. 3)

Die Freiheit, Software verstehen zu können, impliziert, dass die Software nicht zu komplex sein darf. Leider wird das jedoch oft vergessen. Inzwischen ist es chic, bei Open-Source-Projekten mitzuwirken, weshalb solche Projekte mehr oder weniger in Freiwilligen schwimmen. Das Ergebnis ist, dass man nicht mehr lange überlegt, ob und wie man ein neues Feature hinzufügt, sondern das einfach macht. Sobald das Projekt dann so komplex ist, dass es eine Einzelperson nicht mehr durchschauen kann, wird eine Firma aufgemacht, die sich dann auch wie eine Firma verhält.

Wir müssen wieder die Komplexität reduzieren. Bislang führte jede Komplexitätsreduktion zum Aufblühen einer Technologie. UNIX war viel einfacher und somit viel erfolgreicher als MULTICS. IP war viel simpler als die ITU-Protokolle. Das Web war (anfangs) eines der simpelsten Hypertextsysteme. Immer wenn wir herausfanden, wie man etwas einfacher machen kann, wurde es erfolgreich.

Christian Berger, Oberkotzau

Paralleluniversum

(Editorial: Kein Platz für Idealismus; iX 01/2018, S. 3)

Wo lebt der Autor, dass er der Meinung ist, dass Softwarefirmen heute noch an verkauften Softwarelizenzen verdienen? Das Geld wird heutzutage mit Software as a Service verdient, und da ist es absolut egal, ob die Software quelloffen ist oder nicht.

Selbst Microsoft investiert mehr und mehr in Linux und hat einen GitHub-Account mit fast 1500 Projekten! Open Source ist dominant auf Servern und in der Embedded-Welt. Wie kann man da ernsthaft sagen, dass Open Source auf dem Rückzug ist? Der Autor könnte nicht weiter danebenliegen.

John Paul Adrian Glaubitz, Berlin

Spenden-Button reicht nicht

(Editorial: Kein Platz für Idealismus; iX 01/2018, S. 3)

Das war ja ein interessantes Thema! Ich arbeite in meinen Firmen viel mit kostenloser Open-Source-Software und versuche immer wieder Geld dort abzuliefern, weil mir die Software teils sehr viel Zeit spart. Aber eine Ausgabe in einer Firma braucht erstens einen Grund und zweitens einen Beleg.

Wenn ich bei Open-Source-Software überhaupt etwas finde, kann ich eine „Spende“ irgendwohin per PayPal abgeben. Für eine „Spende“ in geschäftlichen Ausgaben kassiere ich schnell eine Ohrfeige vom Chef und später vom Finanzamt. Mein einziger „Beleg“ ist eine Kreditkartenabrechnung, denn in den USA scheinen Rechnungen unüblich zu sein. Und dann scheint es noch meine Aufgabe zu sein, steuerrelevanten Belegen hinterherzulaufen.

Der Name „Spende“ sieht auch so aus, als ob es das Privatvergnügen der Programmierer wäre, andere Programmierer zu bezahlen. Ich verdiene Geld mit meiner Software und meine Firma hat das Geld, solche Dinge auch zu bezahlen. Dann braucht es eine ordentliche Struktur, um Geld einzunehmen und Rechnungen zu erstellen. Denn wie immer das Ganze heißt, es ist eine Einnahme, und die muss versteuert werden.

Wenn aus einem Kostenlos-Software-Projekt ein Unternehmen werden soll, braucht es mehr als einen Spenden-Button auf einer Webseite.

Richard Lippmann, via E-Mail

FLOSS lebt

(Editorial: Kein Platz für Idealismus; iX 01/2018, S. 3)

Wird hier behauptet, FLOSS ist nicht gewinnbringend zu betreiben, ohne die Freiheit zu beschneiden?

Red Hat zeigt das Gegenteil. Und CentOS zeigt, dass man ein aktuelles Red-Hat-Equivalent kostenlos bekommen kann, weil Zugang zu den Sourcen per Open-Source-Lizenz gegeben ist. Gleichzeitig verdient Red Hat gut mit seinen zertifizierten Builds und Support-Verträgen. Davon werden sehr viele Entwickler bezahlt, die Softwarepakete als Open Source weiterentwickeln.

Andere Beispiele kommerziell erfolgreicher Firmen, die Open Source produzieren und Entwickler dafür bezahlen, sind Mozilla Corporation (Firefox), Oracle (OpenJDK, GPL lizensiert), Google (Chromium, Android), IBM (Linux, Eclipse u. a.) JetBrains (IntelliJ Community Edition), Cloudera und Hortonworks (Hadoop), CloudBees (Jenkins) und viele andere.

Oder wird hier behauptet, dass FLOSS von kommerziellen Interessen dominiert wird, die Philosophie des Teilens beiseitegedrängt wird und reine FLOSS-Projekte früher oder später sterben? Gegenbeispiele sind Debian GNU/Linux, LibreOffice, VLC, XFCE, Thunderbird, Postgres, viele Projekte bei der Eclipse Foundation oder der Apache Foundation.

FLOSS ist aus der Software-Landschaft nicht mehr wegzudenken und stärker als je zuvor. Dass die Entwickler oft in ihrem Vollzeitjob an Open Source arbeiten, ist nicht unbedingt ein Nachteil, solange die Lizenz garantiert, dass im Zweifelsfall das ganze Projekt geforkt werden kann.

Oliver Doepner, aus dem iX-Forum

Falscher Maßstab

(Editorial: Kein Platz für Idealismus; iX 01/2018, S. 3)

Wenn man wie Sie die Monetarisierbarkeit der Welt an erste Stelle stellt, sozusagen als Meta-Bewertungsrahmen deklariert, so kommt man logischerweise zu dem Ergebnis, dass Free und Open Source nicht funktioniert. Weil diese sich ja gerade dem Diktat der Geldverteilung nicht unterordnen will, sondern versucht, wie auch viele andere innovative soziale Projekte, Teile unserer Welt dem Diktat der Geldgebenden, dem Postaufklärungsfeudalismus zu entziehen bzw. bestimmte Dinge überhaupt erst zu leisten, für die Bedarf besteht, aber niemand bezahlt.

Erst wenn man diesen gedanklichen Schritt wagt, also den in soziale und materielle gesellschaftliche Beziehungen ohne die Monetarisierung, wie sie im kleinen Rahmen in Familien, unter Nachbarn und im Großen bei den Tätigen der sozialen, kirchlichen oder gemeinnützigen Vereine zu finden sind, dann kann man verstehen, dass die Monetarisierung eben nebensächlich oder dem Ziel kontraproduktiv ist, weil die Vertreter der neoliberalen Geldwirtschaftsordnungen, ganz im Stil des mittelalterlichen Feudalismus oder der mittelalterlichen Kirchen, aus Macht und Raffgier die sozialen Bindungen der Menschen angreifen, indem sie asozialen, unreflektierten und Befindlichkeiten-orientierten Narzissmus als Ekstase der Individualisierung fördert.

Die Frage der gerechten Aufteilung der Ressourcen und der hinreichenden Versorgung der Menschen in den Gemeinschaften existiert, ist aber eine andere und wird durch die neoliberale Monetarisierung und ihre Unterwanderung der gesellschaftlichen Regelwerke (Gesetze, Menschenrechte) auch nicht gelöst. FSF und Open Source sind ein innovativer Bestandteil der Softwarewelt in den Bereichen, wo die wichtigen Basisaufgaben transparent und für alle gelöst werden, wenn man denn will. Genauso kann man die Verteilung der Ressourcen und der Versorgung neu organisieren.

Ervin Peters, Weimar

Ergänzungen und Berichtigungen

Energieeffizienz; Kurz erklärt: PUE; iX 11/2017, S. 111

PUE-Werte von etwas über zwei (nicht: knapp zwei) sind heute Standard, knapp 50 Prozent der Energie fließen also in die Arbeit der Computer.

Storage; Kurz erklärt: Alternativ magnetisierte Festplatten; iX 01/2018, S. 106

Bei TDMR steigt die Speicherdichte von 1,1 auf 1,4 TBit/in2, nicht von 1,1 auf 1,4 GBit/in2.

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