VW Tiguan e-Hybrid im Test: Elektrisch auf der Kurzstrecke
Das bestverkaufte VW-Modell kombiniert die gefragte Karosserieform nun mit dem immer beliebteren Hybridantrieb. Wie harmonieren beide Erfolgsfaktoren im Alltag?
Mit der Modellpflege ist Volkswagens kompaktes SUV-Modell VW Tiguan nun auch als Plug-In-Hybrid erhältlich. Folgerichtig angesichts dank staatlicher Subventionen steil steigender Nachfrage nach elektrifizierten Antrieben und einfach für Volkswagen, weil ein in die Plattform passender Antrieb bereits vorhanden ist. Über die Adaptation des aus VW Golf und VW Passat GTE (Test) bekannten "eHybrid" hinaus präsentiert sich der Tiguan hingegen wenig verändert. Volkswagen experimentiert nicht mit einem Auto, das schon lange das beliebteste SUV-Modell und der bestverkaufte VW ist. Nur in Deutschland liegt der Golf noch leicht in Führung.
E-Antrieb im Getriebe statt an der Hinterachse
Der Antrieb des Tiguan eHybrid besteht aus einem turbogeladenen 1,4-Liter-Ottomotor mit 110 kW und 250 Nm, einer E-Maschine im Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe mit 85 kW sowie einer 13, netto 11 kWh fassenden Batterie vor der Hinterachse. Das Systemdrehmoment beträgt bis zu 400 Nm, die höchste Leistung 180 kW. Der elektrische Zweig ist genügend kräftig für batterieelektrische Fahrten, die Reichweite genügt für die 30 km des Durchschnittspendlers. Beim eHybrid grundsätzlich nicht erhältlich ist der Allradantrieb: Den Platz fürs hintere Differenzial und die Haldexkupplung beansprucht bei ihm die Batterie. Da die E-Maschine im Getriebe sitzt, kann sie ohnehin nicht in der sogenannten "P4-Anordnung" elegant effizient direkt auf die Hinterräder wirken.
Vieles anders, nichts wirklich besser
Das Cockpit ist nun stärker vom erstmals im VW Golf 8 (Test) eingeführten Bediensystem geprägt, was nicht jeden begeistern dürfte. Erkennbar an den Touch-Slidern macht es bei der Bedienung vieles anders, aber nichts wirklich besser. Mein Kollege Martin hat das so nett emotional in Worte gefasst, dass ich mich ihnen gern anschließen möchte: "Schön, dass VW den beliebten Tiguan im vergangenen Jahr so eifrig überarbeitet hat. Wer zum *** ist denn auf die Idee gekommen, die Drehregler für die Klimaautomatik gegen Touchflächen auszutauschen? Ein Rückschritt! Soll vermutlich moderner aussehen, was in dieser Umgebung seltsam erscheint."
VW Tiguan e-Hybrid Exterieur (9 Bilder)
(Bild: Florian Pillau)
Davon abgesehen sah er das Potenzial für eine Überarbeitung eher beim Rest der Bedienung, aber gerade dort ist sie ausgeblieben: "Viele Schalter und Knöpfe werden bei Volkswagen gefühlt seit Jahrzehnten verstreut. Funktional schon okay, aber irgendwie wäre es hier und auch da und dort mal an der Zeit für einen anderen Anstrich." Wie etwa beim Head-up-Display für immerhin 565 Euro Aufpreis, dessen Scheibe sich "gemächlich und mit wenig akustischer Eleganz erhebt" – wie Dracula aus seinem Sarg, möchte man fast anfügen. Gut gefiel dem ohrgiastisch veranlagten Kollegen dagegen die Stereoanlage: "Fortschritt auf lauten Sohlen: Die Klangqualität der serienmäßigen Lautsprecher hat in den vergangenen 20 Jahren gewaltig zugenommen. Wenn ich da an die Werksanlage im Golf 4 denke … "
"Man sollte eine wirklich gute Sprachsteuerung beilegen"
Die wichtigste Neuerung dürfte wohl das neue Infotainmentsystem, basierend auf dem "MIB3" sein. Mit so etwas liege ich schon deshalb überkreuz, weil jede vorwiegende Bildschirmbedienung für mich grundsätzlich ein Rückschritt ist – und sei sie noch so gut. Daher lasse ich lieber gleich noch einmal Martin zu Wort kommen. Etwas jünger gibt er vielleicht deshalb solchen Lösungen eine fairere Chance. Doch schien auch er nicht recht zu überzeugen von den Errungenschaften des Infotainmentbaukastens: "Ein Fortschritt sollte der MIB3 sein, doch ich frage mich, für wen eigentlich? Wenn man die Bedienung von fast allen Funktionen auf einen Bildschirm packt, sollte man eine wirklich gute Sprachsteuerung beilegen. Hier hat VW noch einen langen Weg vor sich, um mit dem konkurrieren zu können, was Mercedes seit 2018 in die Modelle auf Basis der A-Klasse einbaut. Klar, das Topsystem ist dort ungleich teurer. Aber VW tut sich mit der aktuellen Strategie keinen Gefallen: Macht das System 200 Euro teurer und kauft dafür eine funktionierende Sprachsteuerung ein. An das Geld denkt der Kunde bald nicht mehr, daran, dass es nicht investiert wurden, jeden Tag."
Noch etwas Reichweite herausholen
Immerhin soll die neue Infotainment-Generation im Praxisbetrieb noch etwas Reichweite herausholen können. Zur Verbesserung der Antriebseffizienz nutzt die Navigation die Streckendaten für die sogenannte "Prädiktive Hybridstrategie". Sie soll Strecken so planen, dass die Rekuperation den Hybrid-Betrieb so effizient wie möglich gestaltet. Die neue Funktion hat keinen für uns spür- oder messbaren Effekt gehabt, zu groß sind im Vergleich wohl andere Einflussfaktoren wie die Außentemperatur oder verschiedene Fahrstile. Wichtiger erscheint daher eine andere Möglichkeit der Hybridassistenz. Sie ermöglicht, mit voller Batterie an einer Stadtgrenze einzurollen, um innerstädtisch möglichst weit stromgetrieben fahren zu können. Dieser Ziel-Ladungs-Automatismus kann auch manuell gewählt oder abgeschaltet werden.
Ernüchternder Stromverbrauch
Elektrisch kann der VW Tiguan bis zu 130 km/h fahren, die Reichweite gibt Volkswagen mit 50 Kilometern im WLTP an. Auf einer vorwiegend ländlichen, aber nicht schnell fahrbaren, sanft hügeligen Pendelstrecke erreichte das Auto in unserem Test maximal 38 Kilometer bei zehn Grad Außentemperatur. Die nachgeladenen 11,8 bis 12,2 kWh auf die Reichweite umgelegt ergeben einen ernüchternden Stromverbrauch von etwas mehr als 30 kWh/100 km und zwar bei sehr gemächlicher Fahrt, bei der es vor allem um die mögliche Reichweite ging.
Gemächliches Laden
Laden kann man mit dem Ladegerät an Steckdosen bis maximal 2,3 kW, an Wallboxen und Ladesäulen fließen bis zu 3,6 kW. Manchmal ist das lähmend, eine schnelle Gleichstromladung, die bei den Mercedes-Plug-In-Modellen beispielsweise ein kürzeres Zwischenaufladen während eines Einkaufs sinnvoll macht, ist nicht erhältlich.
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Für SUV-Käufer ausreichend
Der Tiguan ist in beiden möglichen Betriebsmodi kräftig genug motorisiert, um trotz seiner minimal rund 1,85 Tonnen gut mithalten zu können. Elektrisch stehen bis zu 85 kW zur Verfügung. Nur doppelt motorisiert (erzwingbar mit der rechts oberhalb des Wählhebels versteckten Taste mit dem wirklich albernen Kürzel "GTE") mit 180 kW Systemleistung unterwegs spürt man die angetriebene Vorderachse auch in der Lenkung, obwohl ihre Auslegung die Antriebseinflüsse von bis zu 400 Nm im Lenkrad ziemlich gut vermeidet. Dass sie damit weniger Rückmeldung bietet als ein Auto mit Standardantrieb, schert eh nur Menschen, die sich von Anfang an schon nicht dem Konzept "SUV" zugewandt hätten. Alles gut also.
Weniger kultiviert als das angebliche Spar-Modell
Alles? Leider nicht. Wie das Modell mit Allradantrieb nutzt der Hybrid-Tiguan statt der hinteren Verbundlenkerachse eine Einzelradaufhängung, die normalerweise über verschiedene VW-Baureihen auch ein Komfortplus bedeutet. Nicht so im Tiguan, der eigentlich ganz kommod fährt, bei einseitiger Unebenheit aber bisweilen ausgeprägt rumpelnd seitlich versetzt, und das in jeder Einstellung der adaptiven Dämpfer (1045 Euro). Ganz offenbar handelt es sich um eine Eigenheit der Abstimmung, denn im fast baugleichen, etwas größeren Plug-In-Hybridmodell des Seat Tarraco (Test), der zeitgleich in der Redaktion war, verhielt sich die gleiche Hinterachse vorbildlich. Überhaupt zeigte sich ausgerechnet das Auto von Volkswagens Budget-Marke kultivierter, auch beim Motorgeräusch übertönte der Tiguan den wohl besser gedämmten Tarraco hörbar. Wir wiederholen gern: bei entsprechendem technischen Aufbau von Fahrwerk und Antrieb.
VW Tiguan e-Hybrid Interieur (15 Bilder)
Was bleibt, ist das auf allen Plätzen angenehme Raumangebot. Zum Glück unverändert ist die gute Variabilität dank der dreigeteilt umlegbaren Rücksitzlehne und der zweiteilig verschiebbaren Bank, auch, wenn die Batterie das Gepäckvolumen leicht einschränkt und den in verschiedenen Höhen einhängbaren Ladeboden überflüssig macht.
Alternative VW ID.4?
Der Hybridantrieb war schon aufgrund der Nachfrageentwicklung fällig und wird seine Abnehmer finden, selbst wenn der Tiguan einige Kunden an das günstigere Elektroauto VW ID.4 verliert. Der Tiguan kostet mindestens 43.510 (- 7177,50), der VW ID.4 ab 36.950 (- 9000,00) Euro, der Testwagen knapp 55.000 Euro. Die Praxisreichweite genügt für viele Pendelstrecken und so kann man im passenden Anforderungsprofil mit dem Tiguan durchaus überwiegend elektrisch fahren. Unangenehme Gedanken an den im Vergleich zu einem VW ID.4 rund doppelt so hohen Stromverbrauch verdrängt man dabei besser.
Was über die Elektrifizierung hinaus verändert wurde, ist nicht immer eine Verbesserung, die bei der Bedienung sind wohl am ehesten als Vereinheitlichung mit anderen Modellen zu sehen. Hier vermögen wir allenfalls der Einfluss einer gewissen Mode zu erkennen, aber keine ergonomischen Vorteile. Nicht fertig abgestimmt wirkte auf alle Fahrer die Hinterraddämpfung, sehr schön vor Augen geführt durch den gleichzeitig bei uns anwesenden, technisch fast baugleichen Seat Tarraco. Die Chance einer schnellen Gleichstrom-Ladefunktion blieb ungenutzt. Da Volkswagen das alles und noch viel mehr im Kreuz gehabt hätte, darf man die Überschaubarkeit der Optimierungen wohl weniger als "Lieblosigkeit" betrachten, wie mein Kollege Martin das nennt, sondern vor allem als die Pflege einer sicheren Bank.
Die Kosten für die Überführung wurden von Volkswagen übernommen, jene für Fahrenergie von den Redakteuren.
Datenblatt
Hersteller | VW |
Modell | Tiguan eHybrid |
Motor und Antrieb | |
Motorart | Plug-in-Hybrid mit Benziner |
Zylinder | 4 |
Ventile pro Zylinder | 4 |
Hubraum in ccm | 1395 |
Bohrung x Hub | 74,5 x 80 |
Leistung in kW (PS) | 110 (150) |
bei U/min | 5000 bis 6000 |
Drehmoment in Nm | 250 |
bei U/min | 1550 bis 3500 |
Leistung in kW E-Motor | 85 |
Drehmoment in Nm | 330 |
Systemleistung in kW (PS) | 180 (245) |
Systemdrehmoment in Nm | 400 |
Antrieb | vorn |
Getriebe | Doppelkupplungsgetriebe |
Gänge | 6 |
Fahrwerk | |
Spurweite vorn in mm | 1585 |
Spurweite hinten in mm | 1574 |
Lenkung |
Zahnstange, elektrisch unterstützt |
Wendekreis | 11,9 |
Reifengröße Testwagen | 235/55R18 |
Maße und Gewichte | |
Länge in mm | 4509 |
Breite in mm | 1839 |
Höhe in mm | 1675 |
Radstand in mm | 2678 |
Kofferraumvolumen in Litern | 476 |
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck | 1811 |
Zuladung in kg | 539 |
Dachlast in kg | 75 |
Tankinhalt in Litern | 45 |
Batterie in kWh brutto / netto |
13 / 11 |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden | 7,5 |
Höchstgeschwindigkeit in km/h (elektrisch) | 205 (130) |
Verbrauch | |
Verbrauch WLTP in Litern/100 km | 1,6 |
CO2-Emission WLTP in g/km | 33 |
Testverbrauch in Litern/100 km (ohne vorherige Ladung der Batterie) | 5,7 - 10,8 |
Stromverbrauch im Test in kWh/100 km | ab 30 |
Ladeleistung an AC in kW | 3,7 |
Ladeleistung an DC in kW | - |
E-Reichweite in km | 38 |
Schadstoffklasse | Euro 6d-ISC-FCM |
Daten Stand | April 2021 |
Preisliste
Modell | VW Tiguan eHybrid |
Ausstattungslinie | Elegance |
Grundpreis Euro |
46.100 |
Infotainment | |
DAB+ | Serie |
USB-Anschluss | Serie |
Navigationssystem | ab 1050 |
Verkehrsdaten in Echtzeit | mit Navi Serie |
Freisprecheinrichtung | Serie |
Head-up-Display | 565 |
Android Auto/Apple CarPlay | Serie |
Sprachbedienung | 225 |
Assistenz | |
Abstandstempomat | Serie |
Einparksensoren vorn | Serie |
Einparksensoren hinten | Serie |
Einparkassistent | 215 |
Rückfahrkamera | 800 |
Totwinkelwarner | Serie |
Müdigkeitserkennung | Serie |
Spurhalteassistent | Serie |
Funktion | |
LED-Scheinwerfer | Serie |
Matrix-Licht | 615 |
elektrische Heckklappe | Serie |
Alarmanlage | 350 |
schlüsselloser Zugang | Serie |
Fahrwerksoption adaptive Dämpfung |
1045 |
Komfort | |
Sitzheizung | Serie |
Ledersitze | 2695 |
beheizbares Lenkrad | 130 |
Lederlenkrad | Serie |
Klimaautomatik | Serie |
Schiebedach | 1280 |
Sonstiges | |
Metalliclack | ab 660 |
Leichtmetallfelgen | Serie |
Preisliste Stand | Februar 2021 |
(fpi)