VW Tiguan e-Hybrid im Test: Elektrisch auf der Kurzstrecke

Das bestverkaufte VW-Modell kombiniert die gefragte Karosserieform nun mit dem immer beliebteren Hybridantrieb. Wie harmonieren beide Erfolgsfaktoren im Alltag?

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VW Tiguan eHybrid

Als wichtigste Modellpflegemaßnahme bietet der VW Tiguan einen Plug-In-Hybridantrieb. Man kann damit im passenden Anforderungsprofil überwiegend elektrisch fahren, solange einen der Verbrauch nicht geniert.

(Bild: Florian Pillau)

Lesezeit: 9 Min.
Inhaltsverzeichnis

Mit der Modellpflege ist Volkswagens kompaktes SUV-Modell VW Tiguan nun auch als Plug-In-Hybrid erhältlich. Folgerichtig angesichts dank staatlicher Subventionen steil steigender Nachfrage nach elektrifizierten Antrieben und einfach für Volkswagen, weil ein in die Plattform passender Antrieb bereits vorhanden ist. Über die Adaptation des aus VW Golf und VW Passat GTE (Test) bekannten "eHybrid" hinaus präsentiert sich der Tiguan hingegen wenig verändert. Volkswagen experimentiert nicht mit einem Auto, das schon lange das beliebteste SUV-Modell und der bestverkaufte VW ist. Nur in Deutschland liegt der Golf noch leicht in Führung.

Der Antrieb des Tiguan eHybrid besteht aus einem turbogeladenen 1,4-Liter-Ottomotor mit 110 kW und 250 Nm, einer E-Maschine im Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe mit 85 kW sowie einer 13, netto 11 kWh fassenden Batterie vor der Hinterachse. Das Systemdrehmoment beträgt bis zu 400 Nm, die höchste Leistung 180 kW. Der elektrische Zweig ist genügend kräftig für batterieelektrische Fahrten, die Reichweite genügt für die 30 km des Durchschnittspendlers. Beim eHybrid grundsätzlich nicht erhältlich ist der Allradantrieb: Den Platz fürs hintere Differenzial und die Haldexkupplung beansprucht bei ihm die Batterie. Da die E-Maschine im Getriebe sitzt, kann sie ohnehin nicht in der sogenannten "P4-Anordnung" elegant effizient direkt auf die Hinterräder wirken.

Plug-in-Hybride

Das Cockpit ist nun stärker vom erstmals im VW Golf 8 (Test) eingeführten Bediensystem geprägt, was nicht jeden begeistern dürfte. Erkennbar an den Touch-Slidern macht es bei der Bedienung vieles anders, aber nichts wirklich besser. Mein Kollege Martin hat das so nett emotional in Worte gefasst, dass ich mich ihnen gern anschließen möchte: "Schön, dass VW den beliebten Tiguan im vergangenen Jahr so eifrig überarbeitet hat. Wer zum *** ist denn auf die Idee gekommen, die Drehregler für die Klimaautomatik gegen Touchflächen auszutauschen? Ein Rückschritt! Soll vermutlich moderner aussehen, was in dieser Umgebung seltsam erscheint."

VW Tiguan e-Hybrid Exterieur (9 Bilder)

Wenig änderte Volkswagen am Äußeren des Tiguan, am wenigsten traf die Modellpflege das Heck.
(Bild: Florian Pillau)

Davon abgesehen sah er das Potenzial für eine Überarbeitung eher beim Rest der Bedienung, aber gerade dort ist sie ausgeblieben: "Viele Schalter und Knöpfe werden bei Volkswagen gefühlt seit Jahrzehnten verstreut. Funktional schon okay, aber irgendwie wäre es hier und auch da und dort mal an der Zeit für einen anderen Anstrich." Wie etwa beim Head-up-Display für immerhin 565 Euro Aufpreis, dessen Scheibe sich "gemächlich und mit wenig akustischer Eleganz erhebt" – wie Dracula aus seinem Sarg, möchte man fast anfügen. Gut gefiel dem ohrgiastisch veranlagten Kollegen dagegen die Stereoanlage: "Fortschritt auf lauten Sohlen: Die Klangqualität der serienmäßigen Lautsprecher hat in den vergangenen 20 Jahren gewaltig zugenommen. Wenn ich da an die Werksanlage im Golf 4 denke … "

Die wichtigste Neuerung dürfte wohl das neue Infotainmentsystem, basierend auf dem "MIB3" sein. Mit so etwas liege ich schon deshalb überkreuz, weil jede vorwiegende Bildschirmbedienung für mich grundsätzlich ein Rückschritt ist – und sei sie noch so gut. Daher lasse ich lieber gleich noch einmal Martin zu Wort kommen. Etwas jünger gibt er vielleicht deshalb solchen Lösungen eine fairere Chance. Doch schien auch er nicht recht zu überzeugen von den Errungenschaften des Infotainmentbaukastens: "Ein Fortschritt sollte der MIB3 sein, doch ich frage mich, für wen eigentlich? Wenn man die Bedienung von fast allen Funktionen auf einen Bildschirm packt, sollte man eine wirklich gute Sprachsteuerung beilegen. Hier hat VW noch einen langen Weg vor sich, um mit dem konkurrieren zu können, was Mercedes seit 2018 in die Modelle auf Basis der A-Klasse einbaut. Klar, das Topsystem ist dort ungleich teurer. Aber VW tut sich mit der aktuellen Strategie keinen Gefallen: Macht das System 200 Euro teurer und kauft dafür eine funktionierende Sprachsteuerung ein. An das Geld denkt der Kunde bald nicht mehr, daran, dass es nicht investiert wurden, jeden Tag."

Immerhin soll die neue Infotainment-Generation im Praxisbetrieb noch etwas Reichweite herausholen können. Zur Verbesserung der Antriebseffizienz nutzt die Navigation die Streckendaten für die sogenannte "Prädiktive Hybridstrategie". Sie soll Strecken so planen, dass die Rekuperation den Hybrid-Betrieb so effizient wie möglich gestaltet. Die neue Funktion hat keinen für uns spür- oder messbaren Effekt gehabt, zu groß sind im Vergleich wohl andere Einflussfaktoren wie die Außentemperatur oder verschiedene Fahrstile. Wichtiger erscheint daher eine andere Möglichkeit der Hybridassistenz. Sie ermöglicht, mit voller Batterie an einer Stadtgrenze einzurollen, um innerstädtisch möglichst weit stromgetrieben fahren zu können. Dieser Ziel-Ladungs-Automatismus kann auch manuell gewählt oder abgeschaltet werden.

Elektrisch kann der VW Tiguan bis zu 130 km/h fahren, die Reichweite gibt Volkswagen mit 50 Kilometern im WLTP an. Auf einer vorwiegend ländlichen, aber nicht schnell fahrbaren, sanft hügeligen Pendelstrecke erreichte das Auto in unserem Test maximal 38 Kilometer bei zehn Grad Außentemperatur. Die nachgeladenen 11,8 bis 12,2 kWh auf die Reichweite umgelegt ergeben einen ernüchternden Stromverbrauch von etwas mehr als 30 kWh/100 km und zwar bei sehr gemächlicher Fahrt, bei der es vor allem um die mögliche Reichweite ging.

Laden kann man mit dem Ladegerät an Steckdosen bis maximal 2,3 kW, an Wallboxen und Ladesäulen fließen bis zu 3,6 kW. Manchmal ist das lähmend, eine schnelle Gleichstromladung, die bei den Mercedes-Plug-In-Modellen beispielsweise ein kürzeres Zwischenaufladen während eines Einkaufs sinnvoll macht, ist nicht erhältlich.

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Der Tiguan ist in beiden möglichen Betriebsmodi kräftig genug motorisiert, um trotz seiner minimal rund 1,85 Tonnen gut mithalten zu können. Elektrisch stehen bis zu 85 kW zur Verfügung. Nur doppelt motorisiert (erzwingbar mit der rechts oberhalb des Wählhebels versteckten Taste mit dem wirklich albernen Kürzel "GTE") mit 180 kW Systemleistung unterwegs spürt man die angetriebene Vorderachse auch in der Lenkung, obwohl ihre Auslegung die Antriebseinflüsse von bis zu 400 Nm im Lenkrad ziemlich gut vermeidet. Dass sie damit weniger Rückmeldung bietet als ein Auto mit Standardantrieb, schert eh nur Menschen, die sich von Anfang an schon nicht dem Konzept "SUV" zugewandt hätten. Alles gut also.

Alles? Leider nicht. Wie das Modell mit Allradantrieb nutzt der Hybrid-Tiguan statt der hinteren Verbundlenkerachse eine Einzelradaufhängung, die normalerweise über verschiedene VW-Baureihen auch ein Komfortplus bedeutet. Nicht so im Tiguan, der eigentlich ganz kommod fährt, bei einseitiger Unebenheit aber bisweilen ausgeprägt rumpelnd seitlich versetzt, und das in jeder Einstellung der adaptiven Dämpfer (1045 Euro). Ganz offenbar handelt es sich um eine Eigenheit der Abstimmung, denn im fast baugleichen, etwas größeren Plug-In-Hybridmodell des Seat Tarraco (Test), der zeitgleich in der Redaktion war, verhielt sich die gleiche Hinterachse vorbildlich. Überhaupt zeigte sich ausgerechnet das Auto von Volkswagens Budget-Marke kultivierter, auch beim Motorgeräusch übertönte der Tiguan den wohl besser gedämmten Tarraco hörbar. Wir wiederholen gern: bei entsprechendem technischen Aufbau von Fahrwerk und Antrieb.

VW Tiguan e-Hybrid Interieur (15 Bilder)

Die Bedienung wurde lediglich modischer mit Touchslidern wie im Golf und noch mehr Funktionen, die über des Display gesteuert werden müssen. Zu wirklichen Verbesserungen hat Volkswagen die Gelegenheit leider nicht genutzt. (Bild: Florian Pillau)

Was bleibt, ist das auf allen Plätzen angenehme Raumangebot. Zum Glück unverändert ist die gute Variabilität dank der dreigeteilt umlegbaren Rücksitzlehne und der zweiteilig verschiebbaren Bank, auch, wenn die Batterie das Gepäckvolumen leicht einschränkt und den in verschiedenen Höhen einhängbaren Ladeboden überflüssig macht.

Der Hybridantrieb war schon aufgrund der Nachfrageentwicklung fällig und wird seine Abnehmer finden, selbst wenn der Tiguan einige Kunden an das günstigere Elektroauto VW ID.4 verliert. Der Tiguan kostet mindestens 43.510 (- 7177,50), der VW ID.4 ab 36.950 (- 9000,00) Euro, der Testwagen knapp 55.000 Euro. Die Praxisreichweite genügt für viele Pendelstrecken und so kann man im passenden Anforderungsprofil mit dem Tiguan durchaus überwiegend elektrisch fahren. Unangenehme Gedanken an den im Vergleich zu einem VW ID.4 rund doppelt so hohen Stromverbrauch verdrängt man dabei besser.

Was über die Elektrifizierung hinaus verändert wurde, ist nicht immer eine Verbesserung, die bei der Bedienung sind wohl am ehesten als Vereinheitlichung mit anderen Modellen zu sehen. Hier vermögen wir allenfalls der Einfluss einer gewissen Mode zu erkennen, aber keine ergonomischen Vorteile. Nicht fertig abgestimmt wirkte auf alle Fahrer die Hinterraddämpfung, sehr schön vor Augen geführt durch den gleichzeitig bei uns anwesenden, technisch fast baugleichen Seat Tarraco. Die Chance einer schnellen Gleichstrom-Ladefunktion blieb ungenutzt. Da Volkswagen das alles und noch viel mehr im Kreuz gehabt hätte, darf man die Überschaubarkeit der Optimierungen wohl weniger als "Lieblosigkeit" betrachten, wie mein Kollege Martin das nennt, sondern vor allem als die Pflege einer sicheren Bank.

Die Kosten für die Überführung wurden von Volkswagen übernommen, jene für Fahrenergie von den Redakteuren.

Hersteller VW
Modell Tiguan eHybrid
Motor und Antrieb
Motorart Plug-in-Hybrid mit Benziner
Zylinder 4
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 1395
Bohrung x Hub 74,5 x 80
Leistung in kW (PS) 110 (150)
bei U/min 5000 bis 6000
Drehmoment in Nm 250
bei U/min 1550 bis 3500
Leistung in kW E-Motor 85
Drehmoment in Nm 330
Systemleistung in kW (PS) 180 (245)
Systemdrehmoment in Nm 400
Antrieb vorn
Getriebe Doppelkupplungsgetriebe
Gänge 6
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1585
Spurweite hinten in mm 1574
Lenkung Zahnstange, elektrisch unterstützt
Wendekreis 11,9
Reifengröße Testwagen 235/55R18
Maße und Gewichte
Länge in mm 4509
Breite in mm 1839
Höhe in mm 1675
Radstand in mm 2678
Kofferraumvolumen in Litern 476
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 1811
Zuladung in kg 539
Dachlast in kg 75
Tankinhalt in Litern 45
Batterie in kWh brutto / netto 13 / 11
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 7,5
Höchstgeschwindigkeit in km/h (elektrisch) 205 (130)
Verbrauch
Verbrauch WLTP in Litern/100 km 1,6
CO2-Emission WLTP in g/km 33
Testverbrauch in Litern/100 km (ohne vorherige Ladung der Batterie) 5,7 - 10,8
Stromverbrauch im Test in kWh/100 km ab 30
Ladeleistung an AC in kW 3,7
Ladeleistung an DC in kW -
E-Reichweite in km 38
Schadstoffklasse Euro 6d-ISC-FCM
Daten Stand April 2021
Modell VW Tiguan eHybrid
Ausstattungslinie Elegance
Grundpreis Euro
46.100
Infotainment
DAB+ Serie
USB-Anschluss Serie
Navigationssystem ab 1050
Verkehrsdaten in Echtzeit mit Navi Serie
Freisprecheinrichtung Serie
Head-up-Display 565
Android Auto/Apple CarPlay Serie
Sprachbedienung 225
Assistenz
Abstandstempomat Serie
Einparksensoren vorn Serie
Einparksensoren hinten Serie
Einparkassistent 215
Rückfahrkamera 800
Totwinkelwarner Serie
Müdigkeitserkennung Serie
Spurhalteassistent Serie
Funktion
LED-Scheinwerfer Serie
Matrix-Licht 615
elektrische Heckklappe Serie
Alarmanlage 350
schlüsselloser Zugang Serie
Fahrwerksoption adaptive Dämpfung
1045
Komfort
Sitzheizung Serie
Ledersitze 2695
beheizbares Lenkrad 130
Lederlenkrad Serie
Klimaautomatik Serie
Schiebedach 1280
Sonstiges
Metalliclack ab 660
Leichtmetallfelgen Serie
Preisliste Stand Februar 2021

(fpi)