Blaues Licht aus der Tiefsee

Sanftes Licht, von Bakterien erzeugt: Das Pariser Start-up Glowee möchte die Metropole auch des Nachts beleuchten.

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Von
  • Reiner Wandler

"Was, wenn wir keinen Strom mehr brauchen, um Licht zu erzeugen?", lautet das Motto des französischen Start-ups Glowee. Chefin Sandra Rey und ihr Team sind auf dem besten Weg, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Sie produzieren Licht mithilfe von Bakterien. Biolumineszenz heißt das Phänomen. Glowee arbeitet mit der Bakterie "Aliivibrio fischeri", die in den Gewässern vor Hawaii vorkommt und mit dem Zwergtintenfisch "Euprymna scolopes" in Symbiose lebt: Dadurch leuchtet der Kopffüßler des Nachts.

"Wir kamen auf die Idee, als wir einen Dokumentarfilm über Tiefsee-fische sahen", erinnert sich Rey. "Mehr als 80 Prozent der Lebewesen dort unten leuchten." Damals studierte Rey noch Design. Aber sie war fasziniert vom Licht der Lebewesen und bewarb sich um den "ArtScience Prize" mit der Idee, Events, Reklame sowie Straßenschilder mittels Bakterien zu beleuchten. Als sie gewann, gründete sie Glowee.

Das Konzept ist einfach: Die Bakterien werden gezüchtet und mit einer Nährlösung in ein transparentes Behältnis gefüllt, das nach dem Wunsch des Kunden geformt ist. Tagsüber ist die Flüssigkeit durchsichtig, nachts leuchtet sie. Bisher ist es dem Glowee-Team gelungen, die Lichtabgabe von anfänglich einigen Sekunden auf 60 Stunden auszudehnen. Danach sterben die Bakterien.

"Unser Ziel für 2016 ist es, die Bakterien so zu manipulieren, dass sie bis zu einen Monat leben können und eine höhere Temperaturspanne aushalten", kündigte Samuel Juillot an, der Biologe der Glowee-Mannschaft. Außerdem sollen Bakterien mit unterschiedlicher Leuchtfarbe und mehr Lichtausbeute gezüchtet werden.

Anfang 2017 soll bereits das erste Produkt vermarktet werden. Glowee hat dabei die Schaufenster im Blick. Biobeleuchtung werde bestimmt die Neugier der Passanten wecken, sind sich die Jungunternehmer sicher. Sie wollen das Produkt als eine Art Abonnement anbieten und sehen vor allem in Paris einen Markt für ihr bakterielles Licht.

Denn in der französischen Hauptstadt ist es aus Umweltgründen verboten, die Schaufenster die Nacht hindurch mit Lampen zu beleuchten. Stromloses Licht wäre eine Alternative: Die sogenannte Lichtverschmutzung ist reduziert, da die Biobeleuchtung weit weniger Helligkeit abstrahlt als herkömmliche Lampen.

Langfristig will das Glowee-Team die Lichtabgabe auf sechs Monate erhöhen. Dies wäre dann auch für die Beleuchtung von Straßenschildern, urbanem Mobiliar, Fassaden und Parkwegen interessant. Trotzdem sind sich die Jungunternehmer bewusst, dass es nicht leicht wird, viele Abnehmer für die neue Technik zu finden.

Denn die LED-Technik ist eine starke Konkurrenz und verbraucht auch immer weniger Strom. "Allerdings entsteht bei unseren Bioleuchten über die gesamte Lebensspanne nur ein Zehntel des CO2, das bei LEDs anfällt", sagt Glowee-Geschäftsführer Geoffroy de Bérail. Außerdem seien die Produkte biologisch abbaubar. Die Bakterien sterben, die Nährlösung ist ungefährlich, und selbst die Behältnisse sind aus Naturharz gefertigt. (bsc)