Eine KI, die leuchtende Enzyme baut

Mit KI-Hilfe ist es Forschenden gelungen, neue biolumineszierende Enzyme zu entwickeln, die in der Medizin und Biologie eingesetzt werden könnten.

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Biolumineszenz

Biolumineszenz in Aktion.

(Bild: Hsien-Wei Yeh et al. / Nature)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Eike Kühl

Knapp drei Jahre ist es her, dass das Google-Tochterunternehmen DeepMind eine Entdeckung verkündete: Dem neuronalen Netz AlphaFold war es gelungen, die dreidimensionale Struktur fast aller bislang bekannter Proteine zu ermitteln. Die Entdeckung war nicht nur ein Durchbruch auf dem Gebiet der Proteinfaltung. Sie hat auch das Potenzial von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz für die Medizin demonstriert.

Dieses Wissen machten sich in einer aktuellen Studie, die im Fachmagazin Nature veröffentlicht wurde, Forscherinnen und Forscher der Universität von Washington zunutze. Statt die Struktur bestehender Proteine aus der Abfolge von Basen zu berechnen, habe sie von einer KI neue Proteine erstellen lassen. Und zwar sogenannte Luciferasen: So heißen Enzyme, die durch eine chemische Reaktion Biolumineszenz hervorrufen. Sie bringen unter anderem Glühwürmchen zum Leuchten.

"Wir konnten sehr effiziente Enzyme von Grund auf am Computer entwickeln, anstatt uns auf Enzyme aus der Natur zu verlassen. Dieser Durchbruch bedeutet, dass im Prinzip maßgeschneiderte Enzyme für fast jede chemische Reaktion entwickelt werden könnten", sagt der Molekularbiologe Andy Hsien-Wei Yeh, der die Studie geleitet hat.

Die neuen Enzyme könnten unter anderem bei der bildgebenden Diagnostik eingesetzt werden – etwa um Prozesse in Zellen zu untersuchen oder auch in der Medizin, um biochemische Reaktionen sichtbar zu machen, die mit traditionellen Methoden nicht oder nur schwer möglich sind. Die Diagnostik mithilfe von Biolumineszenz ist ein vergleichsweise junge Technologie, der aber großes Potenzial nachgesagt wird. Auch in anderen Bereichen, zum Beispiel im Recycling, ist man auf der Suche nach neuen Enzymen, die gezielte Aufgaben erledigen können.

Neue Enzyme von Grund auf zu finden war bislang schwierig. Damit sie tätig werden, benötigen sie nicht nur das richtige Nährmedium, das richtige Substrat, sondern auch perfekte Konditionen, was Temperatur und chemische Stoffe angeht. Vor allem aber funktionieren Enzyme nur dann wie gewünscht, wenn sie an die richtigen Proteine andocken können, was wiederum von der 3D-Struktur der Proteine abhängt.

Für ihre Studie nahmen die Forschenden Diphenylterazin (DTZ), ein Stoff, der in Organismen zur Erzeugung von Licht genutzt wird, als Zielsubstrat. Anschließend ging es darum, Enzyme zu finden, die an DTZ andocken können, um dadurch jene chemische Reaktion hervorzurufen, die für Biolumineszenz sorgt. Hier kam die künstliche Intelligenz zum Einsatz: Mithilfe von trRosetta, einem neuronalen Netz, das zur Vorhersage von Proteinstrukturen entwickelt wurde, gelang es den Forschenden, rund 1.600 Proteingerüste zu "halluzinieren", die potenziell mit DTZ reagieren könnten.

Um die Ergebnisse zu testen, hat das Team in mühsamer Kleinarbeit die vorgeschlagenen Gerüste in DNA codiert und anschließend in Bakterien eingeschleust um zu sehen, ob die von der KI vorgeschlagenen Enzyme tatsächlich Licht erzeugen wenn sie mit DTZ in Verbindung kommen.

Der "Gewinner" war schließlich eine neue Luciferase, die von den Expertinnen und Expertinnen LuxSit (lateinisch für "Es werde Licht") getauft wurde. Eine anschließend weiter optimierte Version, LuxSit-i, brachte die Zellen so stark zum Leuchten, dass das Licht mit bloßem Auge zu sehen war. Es war außerdem sehr stabil und behielt seine Struktur selbst bei 95 Grad Celsius noch bei.

"Die Entwicklung hochaktiver und spezifischer Biokatalysatoren von Grund auf neu mit breiten Anwendungen in der Biomedizin ist ein wichtiger Meilenstein für das computergestützte Enzymdesign", heißt es in der Studie in Nature, die bereits ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen hat. Mithilfe neuronaler Netze sei es möglich, spezifische Enzyme zu entwickeln, die eine Vielzahl verschiedener Aufgaben erledigen und die Zellprozesse sichtbar machen könnten, indem sie unterschiedliches Licht emittieren.

(bsc)