iX 2/2017
S. 54
Review
Office
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LibreOffice aus der Cloud

Büro in der Wolke

Mit dem Aufkommen von Cloud-Diensten wie Googles Docs oder Microsofts Office 365 stellt sich Open-Source-Entwicklern die Frage, wie sie ihre Programme für die Zukunft rüsten sollen. Collabora widmet sich LibreOffice und hat soeben die zweite Version des Pakets veröffentlicht.

Jahrzehntelang dominierten weltweit proprietäre Office-Pakete Desktop-Rechner in Büros. Auf WordStar folgte WordPerfect und schließlich einfach Word – seit guten 20 Jahren hat Microsoft den Markt fest im Griff. Nur mühsam konnte sich LibreOffice eine Nische erarbeiten. Vor allem öffentliche Institutionen, aber auch an Open-Source-Software interessierte Unternehmen wandten sich dem OpenOffice-Fork zu. Doch mit dem Aufkommen von Cloud-Applikationen steht das klassische Office-Paket vor dem Aus: Google findet für Docs und Drive immer mehr Nutzer und Microsoft lockt seine Stammkundschaft in die 365-Welt. Beide Konzerne binden ihre Anwender so noch enger an sich. Eventuell wird LibreOffice aber auch in der Abo-Zukunft ein Erfolg: Statt vertrauten Desktop-Zeiten hinterherzutrauern, arbeiten die Collabora-Entwickler daran, das Paket als Alternative zu Docs und Office 365 zu etablieren.

Die britischen Entwickler bieten die Software in erster Linie Unternehmen und Cloud-Providern an, die das Paket zusammen mit einem Speicherdienst wie OwnCloud, Nextcloud, Seafile oder Pydio betreiben wollen. Alternativ können sie es als Public-Cloud-Dienst erwerben. Enthalten sind die Programme Writer zur Textverarbeitung, Calc zur Tabellenkalkulation und Impress zum Erstellen von Präsentationen. Es fehlen allerdings der Grafik-Editor Draw, Math zum Bearbeiten von Formeln und Base, zu vergleichen mit Microsofts Access.

Basis des Tests sind die Ausgaben für OwnCloud und Nextcloud. Beim Start beginnt der Nutzer in einer Übersicht seiner Dateien. Mit einem Klick auf das gewünschte Dokument landet er direkt im Editor. Neue Dateien lassen sich ebenfalls schnell anlegen, dasselbe gilt für das Hochladen existierender Dokumente.

Speicherdienste und Formate für die Cloud

Collabora kann mit den Formaten ODF (OpenDocument), Office Open XML (aktuelles Microsoft-Paket) und den alten Microsoft-Formaten (Office 2003 und älter) umgehen. Ferner lassen sich Werke als PDF exportieren. Ein Dokument mit unterschiedlichen Textabschnitten, einer Tabelle und einem eingebetteten Bild kam zum Testen der Kompatibilität zum Einsatz. Dabei traten keine Unterschiede zwischen der Desktop- und der Browser-Variante auf. Jedoch funktionierten LibreOffice-Vorlagen nicht in den Cloud-Implementierungen – sie ließen sich weder öffnen noch erstellen. Wer auf sie angewiesen ist, muss zunächst umständlich in den klassischen Programmen zum Beispiel eine .odt-Datei aus ihnen erstellen und sie zum Kopieren hochladen.

Beim Arbeiten in einem Dokument fällt zunächst die Verzögerung zwischen Eingabe und Verarbeitung des Befehls auf. Im direkten Vergleich zeigt sich Googles Docs hier deutlich schneller. Auch ein Wechsel des Browsers von Chrome zu Firefox half nicht. Zwar können Nutzer trotzdem mit dem Paket arbeiten, doch der Unterschied zum Desktop oder zu anderen Anbietern ist drastisch. Diese Einschätzung ist jedoch mit Vorsicht zu genießen: Im Test kam die Public-Cloud-Variante zum Einsatz. Im eigenen Rechenzentrum haben Unternehmen deutlich größeren Einfluss auf die Geschwindigkeit der Verbindung zum Anwendungsserver. Zum Ausprobieren können Administratoren hierzu die CODE-Variante heranziehen (siehe „Alle Links“).

Grundlegende und fehlende Funktionen

Ein Blick auf die enthaltenen Funktionen zeigt: LibreOffice in der Cloud ist auf den Alltag im Büro vorbereitet. So finden sich in den übersichtlichen Menüs wichtige Befehle zum Formatieren von Text, zum Erstellen von Listen und für das Layout der Seite. Jedoch fehlen noch einige spezialisiertere Optionen wie das automatische Erstellen einer Titelseite oder eines Inhaltsverzeichnisses sowie weitere vom Desktop gewohnte Assistenten. Die Entwickler betonen, dass sie sich zum Start auf grundlegende Befehle zum Editieren konzentriert haben und den Umfang im Laufe des Jahres 2017 deutlich erweitern wollen.

Tabellen können Nutzer intuitiv erstellen und ergänzen. Die eingegebenen Daten lassen sich zum Beispiel als Währung formatieren und per Klick summieren. In Impress fällt das Fehlen von Vorlagen etwas drastischer auf, beim Anlegen einer neuen Präsentation erhält der Anwender lediglich ein leeres Dokument. Im Programm selbst finden sich dann doch einige Layouts, die sich alle für das nächste Meeting eignen. Anschließend muss der Nutzer sie manuell befüllen – neben Text, Bildern und Tabellen wie den zugehörigen Diagrammen stehen auch die zu Recht unbeliebten Animationen zur Auswahl.

Allerdings weigerte sich Chrome mehrfach, die Präsentationen in Nextcloud im Vollbildmodus zu starten – stattdessen zeigte der Browser eine verkleinerte Version an, die sich nicht schließen ließ. In Firefox gab es diese Schwierigkeiten hingegen nicht. Mit OwnCloud funktionierten die Präsentationen in beiden Browsern. Beim Drucken greift Collabora auf die integrierte Funktion des Browsers zurück, was beim Test mit einem Writer-Dokument anstandslos klappte.

Speicherdienst und Kooperation

Wie der Name Collabora bereits andeutet, eignet sich das Paket für das gemeinsame Bearbeiten von Dokumenten. Mit der Integration in einen Speicherdienst können Nutzer Dokumente mit einem Klick teilen und für andere Anwender freigeben. Dabei kann ein Link zum Beispiel zum Verschicken per E-Mail genügen. Ferner lassen sich so Änderungen und Versionen nachvollziehen. Letztere kann man bei Bedarf wiederherstellen. Praktisch sind ebenfalls Kommentare, die man auf Ebene der Dateien hinterlegen kann.

Hinzu kommt das gemeinsame Editieren in Echtzeit. Nach dem Teilen des Dokuments können alle Mitarbeiter darauf zugreifen und je nach Einstellungen Änderungen vornehmen und weitere Nutzer zur Gruppe bitten. Die Applikation markiert die aktuelle Arbeit anderer Anwender, sodass dem koordinierten Schreiben nichts im Weg steht. Setzt man Nextcloud ein, kann man andere Nutzer auch mit einem öffentlichen Link zum Editieren einladen.

Fazit

Zusammenfassend hinterlässt LibreOffice in der Cloud derzeit einen gespaltenen Eindruck. So fehlen noch wichtige Funktionen, gerade Vorlagen des Pakets sollte man künftig weiter verwenden können – Schwachstellen, die die Entwickler bald angehen wollen. Und für viele Unternehmen könnten entscheidende Vorteile wie das Betreiben des Pakets im eigenen Rechenzentrum und die Unabhängigkeit von einem einzigen Anbieter schon jetzt schwerer wiegen. (fo)