iX 2/2017
S. 3
Editorial
Februar 2017
Oliver Diedrich

Die Industrialisierung der IT

Die IT-Branche geriert sich gerne als Speerspitze des Fortschritts: Mehr Effizienz durch Automatisierung lautet das Versprechen an den Rest der Welt. Ob optimierte Preisgestaltung durch Auswertung des Käuferverhaltens im E-Shop, selbststeuernde Autos oder die automatisierten Fertigungsstraßen der Industrie 4.0 – intelligente Algorithmen sollen den langsamen, ineffizienten Störfaktor Mensch ersetzen.

Nur die IT-Systemadministration ist ein Hort des goldenen Handwerks geblieben. Da zieht der Admin Netzwerkstrippen vom Server zum Patchpanel, installiert hier ein neues Programm und dort die letzten Updates, verschiebt virtuelle Maschinen, optimiert Konfigurationsdetails, checkt Netzwerklatenzen und sichtet Log-Dateien. Wenn er das dank Remote Desktop und SSH von seinem Schreibtisch aus machen kann, statt in den Serverraum zu laufen, gilt das oft schon als modern.

Aber die Rechenzentren des Cloud-Zeitalters lassen sich so nicht mehr managen: Routineaufgaben wie Lastanpassungen oder der Start neuer Dienste darf keine aufwendige Handarbeit mehr erfordern. Die Systemadministration muss sich automatisieren, wie das andere Branchen längst hinter sich haben. Rechner-, Netzwerk- und Storage-Virtualisierung legen den Grundstock dazu.

Für jemanden, der einen einzelnen Server hegt und pflegt, mag „Software-defined Everything“ nach einem hohlen Buzzword klingen – in den großen Rechenzentren ist es längst Alltag. Eine wichtige Rolle bei der softwaredefinierten IT-Infrastruktur spielen Docker-Container und die Tools zu ihrer Orchestrierung (mehr dazu in unserer Titelgeschichte ab Seite 32).

Container haben im 20. Jahrhundert das Transportwesen industrialisiert: An die Stelle von Kisten, Säcken, Fässern und Bündeln traten standardisierte Behälter für Waren aller Art, die überhaupt erst die hoch automatisierten Verladeanlagen moderner Häfen ermöglicht haben. Diese Form der Standardisierung und damit Automatisierung versprechen Docker-Container für das Rechenzentrum, indem sie programm- und plattformspezifische Eigenheiten hinter einer einheitlichen Managementschnittstelle kapseln.

Dass das klassische Admin-Handwerk damit ausstirbt, ist freilich nicht zu erwarten. Auch in Zukunft wird es spezielle Anforderungen geben, die besondere Maßnahmen nötig machen; und nicht immer wird man sich den mit der Standardisierung verbundenen Performanceverlust leisten können. Aber viele Routineaufgaben kann eine industrialisierte IT ganz alleine erledigen – und so Raum für die wichtigen Dinge lassen.

Unterschrift Oliver Diedrich Oliver Diedrich