"Indika": Ein Abenteuer, das nur wenig Platz für Hoffnung lässt

Kein Spiel von der Stange: "Indika" von Odd Meter überrascht durch eine tiefgründige Story und einen originellen Stilmix.​

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Renderbild Nonnen vor gelbem Hintergrund

Alles andere als gewöhnlich: Das Nonnen-Adventure Indika.

(Bild: 11 bit Studios)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Müller
Inhaltsverzeichnis

Glaube, Religion und Selbstbestimmung – über diese Themen inszeniert das russische Entwicklungsstudio Odd Meter einen ungewöhnlichen Mix aus Puzzle-Abenteuer und Walking-Simulator. Die Entwickler stellen Genre-Klischees auf den Kopf und lassen am Ende mehr Fragen als Antworten zurück.

Das Abenteuer spielt in einem alternativen Russland des 19. Jahrhunderts. Während Krieg und Armut das Land beuteln, geht die junge Nonne Indika auf eine Reise von ihrem Kloster in die Hauptstadt. Was keiner weiß: Indika spricht mit dem Teufel, der jede ihre Handlungen hinterfragt. Auf ihrer Reise trifft die Nonne den jungen, kriegsversehrten Soldaten Ilja. Gemeinsam durchqueren sie kaputte Dörfer, schleichen durch eine riesige Fischfabrik und fliehen vor tollwütigen Hunden.

Hauptsächlich wird diese Geschichte als Third-Person-Abenteuer erzählt. Durch triste, schneeverhangene Wälder geht es in ein einsames Dorf. Bunte Farben oder zumindest Kontraste sucht man vergeblich. Eine Art Krieg herrscht, alles atmet Tod, Hunger und Verzweiflung. Nur auf den ersten Blick wirkt das Szenario realistisch. Im weiteren Spielverlauf verzerren sich die Perspektiven und die Bilder werden zunehmend grotesker und surrealer. Wer die Filme des russischen Regisseurs Andrei Tarkowski kennt, wird sich an seine melancholischen Bilderwelten erinnert fühlen, die mit einem Hauch Steampunk oder dem deutschen Expressionismus angehaucht sind.

Das Spiel wirkt dagegen regelrecht konventionell. Indika muss Schränke schieben, um an höher gelegene Ausgänge zu kommen, Kräne steuern und blitzschnell vor einem tollwütigen Hund fliehen. Manchmal hilft auch nur Beten und die Flucht in eine Parallelwelt. Dann wird die Spielwelt in rotes Licht getaucht und es öffnen sich neue Wege. Meist löst die Nonne die Aufgaben beim ersten Versuch.

"Indika" angespielt (5 Bilder)

Ungewöhnlich und tiefgründig: "Indika" von Odd Meter entzieht sich konventionellen Spielerwartungen.
(Bild: heise online)

Gelegentlich wechselt die Szenerie und die Spieler finden sich in einem 2D-Pixel-Spiel wieder. Indika liefert sich ein Rennen mit ihrem Vater oder erklimmt wie Klempner Mario ein Haus. Einen Highscore gibt es auch – eher ein sarkastischer Kommentar über gängige Spielmechaniken als ein nützliches Spielelement.

Oft wirken die Spielelemente nebensächlich, denn im Kern geht es den Entwicklern weniger um Spielspaß als um die großen philosophischen Fragen. Zusammen mit ihrem Begleiter Ilja führt Indika lange Gespräche über Gott, Glaube und die scheinheiligen Machenschaften der russisch-orthodoxen Kirche. Dabei werden Entscheidungen hinterfragt und menschliche Abgründe aufgedeckt. Der Krieg hängt als Damoklesschwert über den Protagonisten und verdrängt mit seinen tristen Zukunftsaussichten Liebe und Hoffnung.

All diese Themen in ein Spiel zu packen, ist ein ambitioniertes Unterfangen, besonders dann, wenn schon nach knapp vier Stunden die Endcredits über den Bildschirm scrollen. Umso störender werden viele Spieler das abrupte Ende finden, das sie etwas ratlos zurücklassen wird – konsequent in seiner Aussage, aber unbefriedigend.

Unbefriedigend ist manchmal auch die technische Umsetzung. Trotz der detailarmen Grafik ruckelt es an manchen Stellen. Dagegen ist die englische Vertonung hochklassig. Die deutschen Untertitel helfen beim Verständnis der komplexen Geschichten dieses kleinen ungewöhnlichen Spielexperiments über Glaube und Religion.

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"Indika" lässt sich nur schwer einordnen. Ist es eine Walking-Sim, ein Horrorschocker, ein intensiver Psychothriller oder doch nur ein Puzzle-Abenteuer? Der eigenwillige Genre- und Stilmix verwirrt und verstört zugleich. Themen und Hintergründe sind wichtiger als Spielelemente. Ein tristes, melancholisches Abenteuer, das am Ende nur wenig Platz für Hoffnung lässt.

Im Filmgenre spricht man in solchen Fällen von "Elevated Horror" – Gruseln mit Botschaft. "Indika" ist ein Spiel über Glaube, Religion, Selbstbestimmung und vieles mehr. Ein umfangreiches Angebot an Themen, die sich nur aufmerksamen Spielern und Spielerinnen erschließen. Dabei wird das Spiel "Indika" ein wenig von der Last seiner Ambitionen niedergedrückt, wie die Nonne Indika von einer religiösen Doktrin, die Gehorsam predigt und Scheinheiligkeit lebt.

"Indika" ist für Windows erschienen. Es kostet ca. 25 €. USK nicht geprüft.

(dahe)