Digital Health: "Gesundheitsdaten gehören auch dem Gesundheitssystem"

Seite 3: Forschungsdaten als Standortfaktor

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Es gibt in der Gesundheitsdaten-Nutzung einen starken Wettbewerb zwischen den großen Tech-Konzernen und den traditionellen Medizinprodukte-Herstellern. Sehen Sie das kritisch?

Ich habe weder Angst vor Big Tech, noch habe ich den Eindruck, dass das gerade massiv in die falsche Richtung läuft, weil dort große Daten- und Security-Expertise aufgebaut wurde. Eher habe ich den Eindruck, dass wir ohne Zusammenarbeit hierzulande über kurz oder lang einen Riesennachteil haben: Wir haben nämlich kein Wissen mehr, weil wir die Daten nicht nutzen dürfen und diese auch nicht mit der Industrie geteilt werden.

Wie ist das bei Ihnen an der Charité?

Die Patientendaten bleiben in der Charité, weil wir in der Medizininformatik-Initiative dezentrale Datenplattformen gebaut haben. Diese Daten gehen als anonymisierte Analysen ohne jeglichen Namen raus. Das wäre bei Herstellern genauso – wir besprechen gerade Lösungen zur Harmonisierung mit Google Health, aber leiten keine Daten aus.

Was natürlich passieren kann, ist, wenn ich heute über Facebook oder Amazon etwas bestelle und die merken, dass ich Husten oder eine chronische Erkrankung habe, dass die mir dann die entsprechende Werbung präsentieren. Gemäß Gesetz SGB V dürfen sie die Daten der ePA aber nicht nutzten. Das ist verboten.

Was machen Sie mit Google Health?

Wir schauen, welche Tools wir benötigen, um Daten besser auszuwerten: zum Beispiel der FHIR Mapper, der ungeordnete, nicht standardisierte Daten in eine FHIR-konforme Form bringt. Wir hätten damit einen schnelleren, effizienteren Zugriff auf unsere Patientendaten, die in unserem SAP-System und den Subsystemen sind.

Wie stellen sich die Medizingeräte-Hersteller hier auf und wie kommen dann so große Konzerne wie Apple ins Spiel?

Wir erarbeiten die internationalen Standards, damit die Daten überhaupt von A nach B fließen können. Da sind Apple, Google und AWS – aber auch die KIS-Hersteller sowie die Ministerien und Wissenschaftler. Wir arbeiten in der sogenannten HL7-Standardisierungsorganisation (Health Level Seven) zusammen, um die Daten von A nach B in einer qualitativ hochwertigen Art und Weise zu überführen.

Auch der Bundesverband Medizintechnologie BVMed hat in seiner Stellungnahme zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) oder zu den DiGA-Verordnungen die Auswertung und Nutzung der Daten durch Krankenkassen kritisch angesprochen. Die Krankenkassen sollen sogar nach derzeitigen Gesetzesentwürfen nach § 25b GDNG Therapie- und Präventionsempfehlungen aussprechen können, ohne die Behandler zu informieren

Wie sieht die politische Gemengelage aus?

Es ist extrem wichtig, dass Forschende und Behandelnde mit den Gesundheitsdaten arbeiten können und dass die Daten der Krankenkassen endlich genutzt werden – nicht zur Überprüfung der Abrechnungen von Ärzten und Krankenhäusern, sondern für die Prävention. Aber wir Ärzte und Wissenschaftler haben auf diese Daten erstmal keinen Zugriff. Also nützt uns das wenig. Warum darf ein Krankenkassen-Mitarbeiter mehr Informationen haben als der behandelnde Arzt oder ein Wissenschaftler in Deutschland? Die Krankenkassen haben sich damit relativ viel Datenhoheit durch das Digitalgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz geholt.

(mack)