Spritze gegen Krebs

Die heimtückische Krankheit wird ausgelöst von einer Infektion mit Papillomaviren. Impfstoffe gegen diese Erreger stehen kurz vor der Zulassung

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Von
  • Birgit Herden
Inhaltsverzeichnis

Was könnte die Eltern eines jungen Mädchens dazu bewegen, ihr Kind gegen eine sexuell übertragbare Krankheit impfen zu lassen? Die Frage werden sich die Marketing-Experten des Impfstoffherstellers Sanofi Pasteur MSD bald stellen müssen, wenn ein neuer Impfstoff gegen Humane Papillomaviren (HPV) seine Zulassung erhält. Ihr schlagkräftigstes Argument: Papillomaviren lassen nicht nur zuweilen hässliche Warzen sprießen, sondern können zu Krebs führen. Einige Virentypen besiedeln die Schleimhaut des Genitalbereichs und verursachen in manchen Fällen Gebärmutterhalskrebs, an dem in Deutschland jährlich etwa 2000 Frauen sterben.

Die Zahl könnte in den kommenden Jahrzehnten deutlich sinken, wenn sich der neuentwickelte Impfschutz durchsetzt. Der Anfang vom Ende für das Zervixkarzinom – so spekulierte schon vor drei Jahren das Fachblatt "New England Journal of Medicine" angesichts erster Studienergebnisse im Editorial. Der Virenschutz wird derzeit umfassend in einer Phase-III-Studie auf die Probe gestellt. Ein vorläufiges Ergebnis präsentierte Merck, der Mutterkonzern von Sanofi Pasteur MSD, Anfang November auf einem Kongress in Baltimore. Der Impfstoff Gardasil schützt demnach vor den beiden gefährlichsten Virentypen und verhindert die Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs. Auch für einen ganz ähnlichen Impfstoff, entwickelt von Glaxo- SmithKline, läuft bereits die Phase-III-Studie.

Dass Viren sich in das Genom menschlicher Zellen integrieren und sie damit zu Krebszellen transformieren können, das hatte zuerst der junge deutsche Arzt und Virologe Harald zur Hausen in den 60er Jahren gezeigt. Aber erst Anfang der 80er Jahre gelang es dem späteren Leiter des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg und seinem Doktoranden Matthias Dürst nachzuweisen, dass es kaum Gebärmutterhalskrebs ohne die Beteiligung von Warzenviren gibt. Papillomaviren sind allgegenwärtig und meist harmlos. Einige besiedeln bevorzugt die Schleimhäute des Genitalbereichs, viele Menschen infizieren sich auch bei Gebrauch von Kondomen schon während der ersten Jahre, in denen sie Geschlechtsverkehr haben. Manchmal verursachen die Viren Genitalwarzen, oft bleiben sie aber unbemerkt. In den meisten Fällen kann das menschliche Immunsystem den Erreger bekämpfen und vertreiben. Doch in manchen Fällen lebt das Virus im Zellkern fort und stört im Laufe der Jahre den natürlichen Ablauf der Zellteilung.

Es lag also einerseits nahe, einen Impfschutz zu entwickeln, andererseits sahen die meisten Experten die praktischen Hürden als unüberwindlich an. Dass es Merck schließlich doch gelang, ist der Hartnäckigkeit zweier Forscherinnen zu verdanken, deren Expertise sich in idealer Weise ergänzte. Die aus Deutschland stammende Kathrin Jansen von den Merck Laboratories in West Point hatte als Mikrobiologin Erfahrung mit Hefezellen. Sie wusste, dass man sie dazu bringen könnte, die gleichen Eiweißstoffe herzustellen, aus denen auch die Hülle der Papillomaviren besteht. Ihre Kollegin Laura Koutsky von der Universität in Washington untersuchte derweil die Verbreitung der Warzenviren und fand heraus, dass sich erste Vorstufen des Gebärmutterkrebses schon weitaus früher bilden, als man lange angenommen hatte. Eine gewisse Erfolgskontrolle ist also schon nach wenigen Jahren möglich und nicht erst Jahrzehnte nach der Infektion.