Vogel mit Perspektive? Suzuki GSX-R 1300 RR Hayabusa

Seite 2: Die Hayabusa erreicht immer noch 299 km/h

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Der lange Tank zwischen Sitzpolster und den neu gestalteten Lenkerstummeln zwingt den Hayabusa-Piloten wie gehabt in eine deutlich nach vorne gebeugte Position. Das soll die Aerodynamik unterstützen, doch bequem ist das nicht. Den Aluminiumrahmen übernahm Suzuki unverändert von der Vorgängerin, lediglich der angeschraubte Heckrahmen wurde um 700 Gramm erleichtert. Die Fahrwerksgeometrie mit einem Radstand von 1480 mm und 67 Grad Lenkkopfwinkel bleibt gleich.

550 Teile der Hayabusa wurden jedoch neu entwickelt, vor allem im Motor, wie etwa Kurbelwelle, Zylinder, Kolben, Pleuel, Nockenwellen und Ventilfedern. Die Brennraumform wurde geändert, die Auslassventile arbeiten mit mehr Hub, die Airbox wurde um 1,2 Liter vergrößert und der Kühler effizienter. Es gibt jetzt nur noch eine Drosselklappe pro Zylinder, doch wuchs deren Durchmesser auf 44 mm. Die Auspuffanlage soll zwei Kilogramm verloren haben, dennoch bringt die Hayabusa immer noch 264 Kilogramm auf die Waage, wobei die Gewichtsverteilung vorne zu hinten nun 50:50 beträgt. Die voll einstellbaren Federelemente stammen vom japanischen Fahrwerksteile-Zulieferer KYB.

Bei den elektronischen Assistenzsystemen ließ sich Suzuki nicht lumpen und packte drei Fahrmodi, drei Power-Modi, eine zehnfach einstellbare, aber auch abschaltbare Schlupfkontrolle, eine ebenfalls zehnfach einstellbare Wheeliekontrolle, dreifach einstellbare Motorbremse, einen zweifach einstellbaren und in beide Richtungen funktionierenden Quickshifter sowie einen frei wählbaren Speedlimiter in die Hayabusa. Das Kurven-ABS ist jetzt als Combined-ABS ausgelegt, in dem der Handbremshebel sowohl die beiden vorderen Brembo-Stylema-Bremszangen, als auch die Nissin-Hinterradbremse betätigt. Die Launchkontrolle hebt die Anfahrdrehzahl wahlweise auf 4000, 6000 oder 8000 Touren an.

Suzuki Hayabusa Teil 2 (8 Bilder)

Das Aerodynamik-Design der Hayabusa ist nicht zu übersehen und wurde schon immer kontrovers diskutiert. In Schwarz mit bronzefarbenen Details wirkt die Suzuki fast exaltiert.

Serie sind ein Tempomat, eine Berganfahr- und Bergabfahr-Hilfe sowie adaptives Bremslicht. Während andere Hersteller längst auf große TFT-Dashboards setzen, bevorzugt Suzuki bei der Hayabusa analoge Instrumente – was ja kein Fehler sein muss. Links Drehzahlmesser, rechts Tacho und außen noch zwei halbrunde Anzeigen mit Benzinstand und Kühlflüssigkeitstemperatur. In der Mitte findet sich ein kleines TFT-Display, das einige Infos wie den eingelegten Gang und die angewählten Stufen der elektronischen Assistenzsysteme anzeigt. Wer will, kann sich hier sogar den erreichten Schräglagenwinkel wiedergeben lassen.

Der Euro-5-Motor soll um einen Liter Sprit auf 100 Kilometer sparsamer sein als der Vorgänger. Ein Kriterium, das garantiert noch keinen Hayabusa-Besitzer interessiert hat. Suzuki gibt an, dass der neue Wanderfalke von 0 auf 100 km/h nun in 3,2 Sekunden fliegt – 0,2 Sekunden schneller als bisher – und die 200-Meter-Distanz in 6,8 statt 6,9 Sekunden bewältigt. Das schafft aber ein schlankes Superbike von unter 200 Kilogramm und über 200 PS ebenfalls. Das Blaue Band hat sie längst abgeben müssen, so wird die Aprilia RSV4 1100 ganz ungeniert mit 305 km/h beworben.

Suzukis Modellpolitik bleibt weiterhin rätselhaft. 2020 hatte die Marke überraschend die MotoGP gewonnen und 2021 wäre der ideale Zeitpunkt gewesen, ein außergewöhnliches Sportbike auf Basis des etwas entschärften und bezahlbaren Weltmeistermotorrads aufzulegen. Doch das Superbike Suzuki GSX-R 1000 mit Euro-4 wird 2021 nur noch abverkauft und eine Nachfolgerin ist nicht in Sicht. Stattdessen bringt Suzuki mit der Hayabusa ein überholtes Konzept und begibt sich in die Gefahr, aus dem Wanderfalken einen Pleitegeier zu machen.

Im Suzuki-Hauptquartier in Hamamatsu scheint man der Motorrad-Entwicklung keine Priorität mehr einzuräumen. Trends werden verschlafen, wichtige Nachfolgemodelle wie etwa die des Bestsellers Bandit bleiben aus und die Baureihen leiden unter Überalterung. Die Neuauflage der Design-Ikone Suzuki Katana, unter deren Halbschalenverkleidung sich einfach die bekannte GSX-S 1000 versteckte, wurde ein Flop. Den Gewinn des MotoGP-Titels 2020 hat man in Hamamatsu sicher mit Freuden zur Kenntnis genommen, kann aber kein Kapital daraus schlagen, weil die Entwicklung neuer GSX-R-Sportmotorräder offensichtlich auf Eis liegt.

Dennoch lassen die Umsatzzahlen bei der Geschäftsführung vermutlich keine Unruhe aufkommen, denn 2019 verkaufte Suzuki 1,74 Millionen Krafträder. Das Meiste davon waren allerdings Roller und kleine Motorräder für die riesigen asiatischen Märkte. Suzukis Nettoumsatz lag bei eindrucksvollen 29,8 Milliarden Euro, jedoch stammten 91,2 Prozent davon aus dem Autoverkauf, hingegen machten Motorräder und ATV nur 6,6 Prozent aus. Anscheinend konzentriert sich die Firma auf den gewinnbringenden Autosektor und vernachlässigt die Entwicklungsarbeit ihrer Motorradsparte. In Deutschland kam Suzuki 2020 auf nur noch 7153 neu zugelassene Motorräder.

Suzuki verlangt für die neue Hayabusa 18.490 Euro. Dafür bekommt man ein auf Topspeed ausgelegtes Motorrad mit sicherlich eindrucksvollen Fahrleistungen, aber einem geschmacklich nicht bei jedermann anschlussfähigen Aerodynamik-Design. Die elektronischen Hilfen sind umfangreich und bei einem Drehmoment von 150 Nm auch dringend nötig. Der in großen Teilen neu entwickelte Motor war noch nie so gut wie heute, was allein schon am sehr deutlich gesenkten Verbrauch sichtbar wird. Dennoch werden die meisten das Bike an den nackten Leistungsziffern beurteilen und so werden sich möglicherweise einige Hardcore-Hayabusa-Besitzer für die Neuauflage interessieren, aber wohl nicht ohne Stirnrunzeln über ihre geschrumpfte Spitzenleistung.