ICANN: Hitzige Diskussionen über neue Domain-Namen

Rund sechs Stunden nahm sich die Internet-Verwaltung ICANN Zeit, die Bewerber um die neuen Top Level Domains anzuhören.

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Von
  • Monika Ermert

Rund sechs Stunden nahm sich die Internet-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) Zeit, die Bewerber um die neuen Top Level Domains (TLD) einzeln anzuhören. Eine erste Entscheidung für die ausgewählten Domains wird trotz großer Bedenken in der Vorstandssitzung der ICANN am heutigen Donnerstag (Ortszeit Los Angeles) erwartet.

Genau drei Minuten lang konnten die über 40 Bewerber im Rennen um ".biz" bis ".geo" ihre jeweiligen Konzepte vorstellen. Mehr oder weniger abgeklärt, einzeln oder in Teams zu fünf, mit blauen Plastikmodellen ihrer Domainidee oder nur zitternden Händen traten sie vor den ICANN-Vorstand und warben für sich. Zuvor hatte das ICANN-Büro allerdings einige der Bewerbungen in seinem 120-seitigen Bericht bereits die rote Karte gezeigt. Eine Domain für Kinder – es gab drei Vorschläge für ".kids" – solle man nicht in Erwägung ziehen, heißt es in dem Bericht. Auch die Vorstandsmitglieder kritisierten, dass die eigens Kindern gewidmeten Domainbereiche zu viele definitorische und politische Fragen aufwerfen, die die Bewerber nur unzureichend beantwortet hätten. "Wer ist ein Kind? Was heißt angemessener Inhalt? Und wer entscheidet?"

Kaum Aussicht auf einen Platz im Domain Name System haben ganz offensichtlich auch all die Bewerber, die Vorschläge für Telefonnummern für Websites (.tel, .one) oder Voice-over-IP-Services (zwei Mal .tel) unterbreitet haben. Gegen diese Art von Bewerbungen hat die ITU Einspruch erhoben. "Keiner der vier Vorschläge bei den Telefon-Domains sollte derzeit ausgewählt werden", heißt es in den Empfehlungen an den Vorstand. Als wenig ausgearbeitet präsentierte sich Nokia mit seiner ".mobile"-Registry. "Wenn wir erst die Domain haben, werden wir das Konzept weiterentwickeln", sagte die Vertreterin des Mobilfunkriesen. Schlechte Noten hagelte es schließlich in der Kategorie "kommerzielle, geschlossene Domains". Der monegassische Bankenverein, der für Finanzdienstleister gerne .fin anbieten möchte, die .travel-Domain der International Air Transport Association (IATA) und dot.law Inc. wurden vor allem nach ihrer universellen Repräsentativität befragt.

Fast schon wie ein Sieger im Rennen gefeiert wurde das .geo-Konzept des Stanford Research Institute. In .geo können bis zu ein Grad kleine Zellen der Erde registriert werden (etwa 11e21n.3e.7n.30i.10n.geo), über die Geodaten aufgefunden werden können. Beim .dir-Vorschlag von Novell fürchten die Vorstandsmitglieder dagegen eine weiter gehende Änderung der Semantik im DNS. Während die ICANN in all diesen Kategorien die Zahl in einem rigiden Ausschlussverfahren (Geld, technische Stabilität, Kapital) deutlich eingeschränkt hat, sind persönliche und allgemeine, offene Domains heftig umstritten.

Aus den sieben gTLDs und fünf "persönlichen Domains" für User soll das ICANN-Board laut den Empfehlungen auswählen. Vor allem .biz und .web ist bei den Anwärtern gefragt. Für .web hat sich neben dem ewigen Rebell Christopher Ambler (Image Online Design) auch das Afilias-Konsortium beworben. Afilias, wegen des NSI-Engagements kritisch beäugt, wird wegen seines Registrar-Modells gute Chancen eingeräumt. Wenn es den Zuschlag für eine der beantragten Namen bekommt, freuen sich auch zwei deutsche Unternehmen: Unter den 19 Gründungsmitgliedern sind Schlund und Partner und EPAG. Schwer wird die Wahl für ICANN auch bei .co-op, .union, .event, .air, .museums, .post und .health.

ICANN-Direktor Vint Cerf war der "Beauty Contest" für die neuen Domains daher auch nicht ganz geheuer. Cerf, der mit dem Ausscheiden von Esther Dyson neuer Vorsitzender des Boards werden könnte, warnte davor, dass "ICANN im Stil einer Venture-Kapital-Firma eine Auswahl unter den Kandidaten trifft." Bei der Registrierung einer Second Level Domain müsse schließlich auch niemand ähnlich ausführliche Businesspläne vorlegen. Cerf und Dyson wechselten sich mit dem Hinweis ab, dass eine Entscheidung für eine Hand voll TLDs nicht bedeute, dass die anderen völlig abgelehnt seien. Vielmehr sei die jetzige Erweiterung des DNS erst ein Anfang. "Was das aber genau bedeutet, wissen wir nicht," sagte Dyson. Manche Beobachter rechnen mit einer schnellen zweiten Runde neuer Domains, auch um mögliche juristische Auseinandersetzungen von ICANN abzuwenden.

Nicht alle Bewerber gaben sich damit zufrieden. Das in den Empfehlungen an den Vorstand bereits abgelehnte Dot.nom-Konsortium beschuldigte ICANN, die Bewerbungen fehlerhaft geprüft und den Bewerbern keinerlei Möglichkeit zur Richtigstellung gegeben zu haben. "Wir haben das als Zumutung empfunden, einen 100-seitigen Bericht, in den wir eine Menge Zeit und Geld investiert haben, in drei Minuten vorstellen zu müssen", sagte James Ross, Vizepräsident von dot.TV. ICANN habe mit drei knappen Emails auf die Bewerbung reagiert, die letzten Fragen schickten die Hauptamtlichen und ein externes Expertenteam am vergangenen Freitag. "Mit der Bitte, bis Sonntag zu antworten", so Ross. Noch habe man nicht entschieden, ob man vor Gericht ziehen wolle.

Die dot.nom-Vertreter waren nicht die einzigen, die den gesamten Prozess in Frage stellten. Er sei enttäuscht, sagte CORE-Mitglied Siegfried Langenbach, der Technik-Provider für den Monegassischen Bankverein ist. Obwohl der Düsseldorfer einer der entschiedensten Befürworter neuer Domains ist, warnte er davor, das Verfahren nur schnell und nicht ordentlich zu Ende zu bringen.

Unterstützung erhielten die Kritiker aus dem Publikum. Eine drei-Minuten-Anhörung für 50.000 US-Dollar erscheint der DNS-Kennerin Ellen Rony völlig inakzeptabel. Außerdem habe man Bewerbern und Community durch die späte Veröffentlichung des Berichtes kaum Gelegenheit zur Diskussion gegeben. "Schließlich hätte ich auch gerne, dass der von mir gewählte Direktor über die neuen Domains mitentscheidet". Die gewählten At-large-Direktoren werden erst nach der entscheidenden Sitzung über die neuen TLDs in den ICANN-Vorstand aufgenommen.

Siehe dazu auch den Bericht Babylon 2.0 in Telepolis (Monika Ermert) / (jk)