ITU will ICANN "helfen"

Die International Telecommuncation Union, zuständig für die Koordinierung von Standards und Zusammenarbeit bei Telefon-Netzwerken, will mehr Zuständigkeit für das Internet bekommen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 9 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Die International Telecommuncation Union (ITU), als Unterorganisation der UNO zuständig für die Koordinierung von Standards und Zusammenarbeit bei Telefon-Netzwerken und -Diensten, will ihre Zuständigkeit offensichtlich auch auf das Internet ausdehnen. Zhao Houlin, Direktor des Telecommunication Standardization Bureau (TSB) der ITU, hat dem Präsidenten der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), Stuart Lynn, die "Hilfe" seiner Organisation angeboten. Lynn hatte vor zwei Monaten eine Kontroverse über eine stärkere Regierungsbeteiligung in der für Internet-Namen, -Nummern und -Protokollstandards verantwortlichen Organisation ausgelöst. In einem Papier schlägt die TSB-Spitze nun vor, dass die ITU als Verbindung zwischen der ICANN und internationalen Regierungen fungiert und ICANN damit einen Teil ihrer Aufgaben abnimmt..

Nach Auskunft eines ITU-Mitarbeiters ist so etwa daran gedacht, dass die ITU Konsultationen für bei ICANN anstehende Fragen im Rahmen seiner eigenen Konsultationsverfahren abhält. Das bedeutet nichts anderes, als dass der berühmte Konsensprozess, mit dem die ICANN ihre Entscheidungen vorbereitet, praktisch "ausgelagert" wird. Eine enge Zusammenarbeit sähe man in Genf auch bei der Entwicklung von Regelungen für die IP-Adressvergabe gern, beim Management der Top Level Domains arpa und int und auch bei den Verhandlungen mit den Länderregistraren. Sollten sich die Vorschläge durchsetzen, hätten die Regulierer aus der Telefonwelt den Internet-Managern ein paar wesentliche Kompentenzen abgenommen.

"Es sollte klar sein, dass die ITU ICANNs Funktionen nicht etwa übernehmen will," heißt es zwar in dem 18-seitigen ITU-Vorschlag. Doch für die ITU-Vertreter ist die Sache eigentlich klar. Der Kollege Lynn hatte selbst mit dem Ruf nach einer Reform eingeräumt, dass man die als private Firma auf Betreiben des US Department of Commerce eingerichtete ICANN die ihr gestellten Aufgaben nicht habe erfüllen können. Die ICANN arbeite zu langsam, habe keine Entscheidungsverfahren und habe hinsichtlich der Partnerschaft von öffentlicher Hand und Privatunternehmen im Reglierungsprozess versagt, fasst die ITU Lynns Selbstkritik zusammen.

Sich selbst präsentiert die ITU dagegen als gelungenes Gegenmodell: "Es ist anerkannt, dass die ITU-T ihre Aufgaben zur allgemeinen Zufriedenheit der Industrie, der Regierungen und der Öffentlichkeit erfüllt, sich dabei offener und transparenter Prozesse bedient und allen Interessensgruppen Rechenschaft ablegt." Der ITU wäre demnach all das gelungen, worin ICANN versagt hat: Effektive private-public-partnership und Akzeptanz für die verabschiedeten technischen Standards bei Unternehmen und öffentlichen Vertretern weltweit, und das mit soldider Finanzierung und ohne das rechtliche Risiko, das die ICANN als private Firma nach kalifornischem Recht trägt. Die ITU sieht sich auch als Vertreter all der Staaten, die sich am ICANN-Prozess nicht beteiligen können, vor allem von Drittwelt-Staaten.

Selbst bei der Beteiligung der allgemeinen Öffentlichkeit will man ICANN noch unter die Arme greifen: Die Öffentlichkeit könne an den ITU-Entscheidungsprozessen durch Verbraucherorganisationen teilhaben. Man sehe keinen Grund, warum diese Möglichkeit nicht verstärkt auch für die ICANN eingeführt werden soll, "wenn ICANN Schwierigkeiten hat, eine solche Art der Beteiligung herzustellen." Die Teilhabe ist allerdings nicht gerade billig: 30.000 Schweizer Franken pro Jahr Mindestbeitrag kostet die Mitgliedschaft in der ITU-T -- kein Modell also für individuelle Nutzerbeteiligung, auch wenn es auch eine Associate Membership für 10.500 Scheizer Franken jährlich gibt.

Wie gut dessen ungeachtet die Chancen der ITU im Konvergenz-Regulierungspoker sein werden, darüber darf in den kommenden Wochen gestritten werden. Vor allem in den USA dürfte die Machtverschiebung von Washington nach Genf auf erheblichen Widerstand stoßen. In den USA ertönte inzwischen sogar der Ruf nach der Auflösung von ICANN und einer völlig neuen Debatte über die DNS-Verwaltung. Eine "unilaterale" Lösung zugunsten der USA sei aber -- anders als vor drei Jahren -- nicht mehr zu machen, heißt es bei der ITU.

Über die ICANN-Reform haben in der vergangenen Woche auch die Mitglieder des ICANN-Regierungsbeirates in Brüssel diskutiert. Vertreter der ITU und der Europäischen Kommission wollten die Diskussionen vorerst nicht kommentieren. (Monika Ermert) / (jk)