Harsche Kritik an Enfopol-Arbeitsgruppe

Vertreter von Providern und Datenschützer warnen vor den Folgen der geplanten Ausweitung der Speicherung sämtlicher Telekommunikationsdaten.

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Von
  • Florian Rötzer

Die auf der Ebene des Europäischen Rats angesiedelte Enfopol-Arbeitsgruppe will alle Telekommunikationsanbieter dazu verpflichten, jedes Telefongespräch, jedes Fax und jede Email "für mindestens sieben Jahre" lang zu archivieren (siehe Europäische Strafverfolger fordern die totale Telekommunikations-Überwachung). Aus einem weiteren, Telepolis vorliegenden Enfopol-Papier geht hervor, dass der Kampf um die Verbindungsdaten sowie gegen die anonyme Netzbenutzung die wichtigsten Prioritäten der Strafverfolger sind.

Der Verband der deutschen Internet-Wirtschaft eco hat nun gegenüber Telepolis angekündigt, gegen die Ausweitung der Speicherfristen sämtlicher Telekommunikationsdaten von vornherein "anrennen" zu wollen. Jede Minute fließen allein durch Deutschlands Internetleitungen rund 2,3 Gigabyte Daten. Um diese Kommunikationsmengen aufzuzeichnen, "müssen wir Lagerhäuser aufmachen", fürchtet der Providervertreter.

Anders als bei der geplanten Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) der Bundesregierung, deren Neufassung die Provider laut Summa regelrecht verschlafen haben, will eco dieses Mal die Strafverfolger und die Politiker schon im Vorfeld gesetzgeberischer Aktivitäten auf die "Unmöglichkeit" der Vorhaben aufmerksam machen. Die Ausarbeiter der neuen Enfopol-Papiere haben seiner Meinung nach "geträumt".

Die Strafverfolger wollen mit ihren neuen Vorstößen verhindern, dass innerhalb der EU neue Datenschutzgesetze verabschiedetet werden (siehe Es gibt ein Recht auf Privatsphäre). Der Chef der in Den Haag sitzenden Polizeibehörde Europol, Jürgen Storbeck, warnte ganz in diesem Sinne am Dienstag erneut davor, dass die "E-Kriminalität" einen uneinholbaren Vorsprung gegenüber den Strafverfolgern erringe. Es drohe die Gefahr einer "strafrechtslosen Zeit".

Demgegenüber hatte der Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob bereits in seinem jüngsten Tätigkeitsbericht davor gewarnt, dass die vorsorgliche Speicherung aller personenbezogenen Daten aus allen Nutzungen des Internet offensichtlich unverhältnismäßig wäre und für jeden Einzelnen einen unzumutbaren Überwachungsdruck erzeugen würde. Angesichts der Überlegungen der europäischen Polizeistäbe warnte seine Sprecherin, Helga Schumacher, aber auch vor überzogener Paranoia. Denn letztlich entscheidend sei, was davon mittelfristig in nationales Recht umgesetzt würde.

Auch der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Helmut Bäumler hatte in seinem letzten Tätigkeitsbericht vor den immer größer werdenden Risiken und Bedrohungen für die Privatsphäre und für die Grundrechte seine Bedenken geäußert. Die Intention der Bundesinnenminister, eine vorsorgliche Speicherung der Nutzungsdaten vorzusehen, auch wenn diese mit sechs Monaten gegenüber den Enfopol-Plänen noch bescheiden wirkt, bezeichnete er als "extreme Überwachung des Informationsverhaltens". (Stefan Krempl)

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