IETF will Netzüberwachung erschweren

Das Internet-Gremium hat einen Standard für IPv6 spezifiziert, der bei der Anonymisierung der Netzkennungen der Internet-Nutzer hilft.

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Die Internet Engineering Task Force (IETF) hat offiziell einen neuen Standard vorgestellt, der den Surfern helfen soll, ihre Datenspuren zu verwischen. Er wird spezifiziert im RFC 3041 und führt aus, wie beim neuen Netzprotokoll IPv6 zufällig ausgewählte IP-Nummern anstatt von festen Kennungen gewählt werden können. Damit will das Gremium, das sich allgemein der Entwicklung von Internet-Standards verschrieben hat, die Privatsphäre der Nutzer stärken und Datensammlern in Marketingabteilungen oder bei Geheimdiensten das Leben schwerer machen.

Die IETF reagiert mit dem Vorschlag auf heftige Kritik aus der Netzgemeinde. Ursprünglich hatten die Techniker bei IPv6 vorgesehen, die MAC-Adressen der Ethernet-Adapter in die Header aller Datenpakete einzubauen. Diese 48 Bit langen Zahlenfolgen werden von den Hardware-Herstellern als einmalige, weltweit eindeutige Identifikationsnummern für die Netzwerkkarten vergeben. User, die übers Ethernet ins Netz gehen, wären daher beim Surfen leicht verfolgbar gewesen. Die Erstellung von Nutzerprofilen wäre zum Kinderspiel geworden. Böse Absicht wies die IETF allerdings schon beim Bekanntwerden dieses "Features", das eigentlich nur Netzwerkadministratoren die Arbeit erleichtern sollte, von sich und machte sich vor rund zwei Jahren an die Ausarbeitung von Gegenmaßnahmen.

Der neue Standard, der jetzt seinen Weg durch die wichtigsten Untergremien der IETF genommen hat, zeigt auf, wie anstatt der permanenten Kennung zufällig generierte Nummern verwendet werden können. Dadurch sollen IPv6-Adressen generiert werden, die den gläsernen Surfer verhindern. "Bei jedem Hochfahren eines Rechners oder sogar noch öfter werden die Nummern neu durchgemischt", erläutert Hans Petter Dittler, Chef der Braintec Netzwerk Consulting, der als stellvertretender Vorsitzender der deutschen Abteilung der Internet Society die Entwicklung des neuen Protokolls seit langem begleitet. Vor allem Surfern, die von zu Hause aus ins Netz gehen, würde damit ein Stück Anonymität zurückgegeben.

Die IETF will die User mit dem Vorschlag vor allem gegen die Data-Mining-Techniken von Marktforschern schützen, die bei gleich bleibenden Nutzeradressen leicht ausführliche Persönlichkeitsprofile anlegen könnten. In einer Mitteilung weist die Organisation darauf hin, dass diese Marketingpraktiken angesichts der Zunahme von permanent über DSL oder Kabel mit dem Internet verbundenen Nutzern besonders bedenklich sind. Auch die sich immer weiter verbreitenden Internet-Zugangsgeräte der nächsten Generation wie Mobiltelefone oder PDAs könnten theoretisch einfacher mit einzelnen Usern verknüpft werden. Diesen Entwicklungen will das Gremium entgegenwirken.

RFC 3041 dürfte aber auch Strafverfolgern nicht unbedingt gelegen kommen: Fände der Standard allgemeine Akzeptanz, wären Abhörpläne, wie sie das Bundeswirtschaftsministerium momentan mit der Telekommunikations-Überwachungsverordnung vorantreibt, noch viel schwieriger zu realisieren als bisher. Heute ist bereits unklar, wie Internet-Provider Surfer überwachen sollen, die sich analog oder per ISDN über dynamisch vergebene IP-Adressen ins Netz einwählen. Mit dem neuen Standard erscheinen die von der Regierung angedachten Maßnahmen im Zusammenspiel mit momentan nicht hinterfragten Verschlüsselungsoptionen für die E-Mail-Kommunikation noch ein Stück weit ungeeigneter – und damit letztlich unverhältnismäßig und potenziell verfassungswidrig.

Der Erfolg von RFC 3041 hängst allerdings natürlich von der weiteren Durchsetzung von IPv6 ab, die bisher äußerst schleppend verlief. Doch vielleicht verhilft auch gerade der Datenschutzbedenken wegwischende neue Standard dem Internet-Protokoll der nächsten Generation auf die Sprünge. Microsoft signalisierte jedenfalls bereits, dass die Redmonder hinter dem Entwurf stehen. "Wir denken, dass dieser vorgeschlagene Standard wichtig ist zum Schutz der Privatsphäre der Internet-Nutzer", erklärte Jawad Khaki, bei Microsoft Vice President für Windows Networking. Er kündigte an, dass Microsoft den Standard in das sich noch im Entwicklungsstadium befindliche Betriebssystem Windows XP integrieren werde. (Stefan Krempl) / (jk)