iX Special 2016
S. 3
Editorial
André von Raison

Zeitalter der Transparenz

Wer heute noch glaubt, Open-Source-Software (OSS) sei nicht in den Unternehmen angekommen, muss die letzten Jahre wohl in einer Zeitkapsel verbracht haben. Denn dass die Infrastruktur des Internets ohne freie Komponenten nicht oder nicht so gut wie bisher funktionieren würde, ist eine unbestrittene Tatsache.

Viele der Open-Source-Vorteile lassen sich am Credo der Transparenz festmachen: Die Offenheit der Quellen und der Community-orientierte Entwicklungsansatz verhindern, dass Anwender in die Falle der Abhängigkeit von einem Anbieter tappen, und erschweren zumindest das Einschleusen unerwünschter Hintertüren. Die transparente Umsetzung international definierter Standards durch die freien Projekte sowie die Option zur lizenzkostenfreien Nutzung haben zu diesem Erfolg ebenso beigetragen wie die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Programme.

Aber auch jenseits des Infrastruktur-Einsatzes hat OSS direkt Einzug in die Unternehmen gehalten. Ende 2015 hat sich die Göttinger SerNet die 30 im DAX gelisteten Unternehmen hinsichtlich OSS-Nutzung angesehen und festgestellt, dass diese ausnahmslos – aber nicht überall – freie Software einsetzen, teilweise sogar aktiv dazu beitragen.

Wesentlich deutlicher zeigt sich die Durchdringung im persönlichen Bereich der Anwender: Laut Statistik-Portal Statista waren im April in Deutschland die beiden meistgenutzten Browser Firefox und Chrome (wobei genau genommen nur Chromium OSS ist), deren aktuelle Versionen schon die Hälfte aller Page Views generierten. Noch klarer sehen die Zahlen für Mobilgeräte aus: Hier bescheinigt Statista Android seit Mitte 2012 in Deutschland einen Marktanteil am Smartphone-Absatz zwischen 70 und 80 Prozent (siehe „Alle Links“).

Auch der Branchenverband Bitkom hat das Thema freie Software auf der Agenda. So veröffentlichte man 2006 den „Leitfaden Open Source Software – Rechtliche Grundlagen und Hinweise“. Mittlerweile gibt es dort eine Arbeitsgruppe „Open Source“. Die hat gemeinsam mit der Gruppe „ITK-Vertrags- und Rechtsgestaltung“ im Frühjahr 2016 eine erweiterte Neuauflage erarbeitet: den Bitkom-Leitfaden zu Open-Source-Software 2.0. Der bemängelt, dass trotz des flächendeckenden Einsatzes freie Software immer noch nur auf technische und rechtliche Belange reduziert wird.

Nach Ansicht der Autoren des Leitfadens liegen die Herausforderungen darin, dass OSS ein umfassendes Produktions-, Vertriebs- und Geschäftsmodell sein kann. Dafür beschreiben sie in fünf unterschiedlichen Beispielen, mit welcher Strategie Unternehmen OSS angehen können und welche Konsequenzen sich daraus jeweils ergeben.

Ein Stück weit nimmt auch dieses iX Special, das auch die Abonnenten als 13. Ausgabe ihres Jahresabos erhalten, diese Thematik auf. Neben den obligatorischen technischen Aspekten geht es auch um strategische Überlegungen zu Open-Source-Einsatz und -Methoden. Dass sich die vielbeschworene Transparenz dabei als Leitmotiv der Aufmacher durch die gesamte Ausgabe zieht, ist quasi das visuelle Sahnehäubchen.

André von Raison