iX 4/2016
S. 154
Medien
App-Infos
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Geräusche aus Natur und Umwelt

Hintergrundrauschen

Manch einer kann beim Meeresrauschen gut schlafen, andere schwören drauf, dass es die Konzentration fördert. Je nach persönlichem Bedarf liefern Apps Geräusche, mit denen man den lauten Büroalltag ausblenden kann.

Ob im Großraumbüro oder im Zwei-Mann-Zimmer – wer mit anderen auf engem Raum zusammenarbeitet, muss sich manchmal akustisch abschirmen. Zum Glück gibt es Kopfhörer mit aktiver Lärmunterdrückung, doch das Rauf-und-runter-Hören der eigenen Musiklisten birgt einige Risiken. Nur allzu leicht kann es zur Ablenkung durch den Lieblingssong führen oder ein unbewusstes Mitgröhlen des letzten Sommerhits auslösen. Für das Erledigen von Aufgaben, die eine hohe Konzentration erfordern, eignet sich die eigene Musik also nicht in allen Fällen. Mobile Anwendungen dagegen versprechen gleichzeitig Hörgenuss und erhöhte Aufmerksamkeit.

„Focus@will“ basiert auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, also auf Untersuchungen aus jenen Forschungsgebieten, die sich mit dem Nervensystem beschäftigen, sowie aus solchen der Medizin, Psychologie und Biologie in Kooperation mit angrenzenden Wissenschaftszweigen wie Informationstechnik, Informatik oder Robotik. Doch wie funktioniert eine Anwendung, die von sich behauptet, den Fokus zu forcieren und die Aufmerksamkeitsspanne beim Arbeiten zu erhöhen, insbesondere bei Tätigkeiten wie Schreiben oder Lesen?

Je nach Stimmungslage

Auf den ersten Blick wirkt Focus@will wie ein normaler Dienst zum Streamen von Musik. Beim ersten Start der Anwendung kann man entweder ein Konto bei Focus@will erstellen oder sich über Facebook beziehungsweise Google+ anmelden. Der Unterschied zu Spotify, iTunes Music oder ähnlichen Anbietern wird jedoch spätestens dann deutlich, wenn man sich die Musikkategorien anschaut. Je nach Gemütslage oder benötigter Stimmung kann man aus Rubriken wie „Focus Spa“, „Classical“, „Ambient“ oder „Baroque Piano“ auswählen. Zur Verfügung stehen auch einige Umweltgeräuschkulissen, beispielsweise eine Café-Umgebung oder Wasserplätschern. Jedes Stück ist instrumental, sodass sich die Gedanken nicht von Worten ablenken lassen.

Und tatsächlich tritt die Musik in den Hintergrund, schirmt jedoch trotzdem genügend von den Gesprächen der Kollegen, den Geräuschen des Fotokopierers und dem Rauschen der Kaffeemaschine ab. Schaltet man sie aus, erscheint ein Produktivitäts-Tracker, mit dem der Ruhebedürftige im Laufe der Zeit nachvollziehen kann, inwiefern Focus@will ihm bei der Arbeit geholfen hat. Die App hat auch eine Timerfunktion, die auf Android allerdings fehlerhaft zu sein scheint und mehrfach nicht zum richtigen Zeitpunkt stoppte.

Der App-Download ist kostenlos und während einer 14-tägigen Probezeit kann man Focus@will umsonst nutzen. Danach wird es aber teuer – das Abonnementmodell kostet je nach gewähltem Paket zwischen sechs und zwölf US-$ pro Monat. Hierbei gilt: Wer sich für ein Jahr oder länger verpflichtet, spart. Auf der Webseite www.focusatwill.com gibt es außerdem mehr Informationen zu den wissenschaftlichen Hintergründen der Anwendung.

Doch nicht immer ist Musik die Lösung, selbst wenn es sich lediglich um Instrumentalstücke handelt. Wer trotzdem nicht auf Hintergrundberieselung verzichten möchte, sollte einen Blick auf „Noisli“ werfen. Die App stellt 16 Geräuschkulissen zur Verfügung, unter anderem „Eisenbahnfahrt“, „Vogelgezwitscher im Wald“, „Gewitter“ und „Feuerknistern“.

Alle Töne kann man beliebig kombinieren, bis man das perfekte Arrangement gefunden hat. Nach Erstellung eines Noisli-Nutzerkontos lassen sich diese Lieblingskombos auch speichern und sowohl auf der Webseite (www.noisli.com) als auch auf dem iPhone und iPad jederzeit abrufen. Zusätzlich stellt die App vorgefertigte Kompositionen zur Verfügung.

Allen, die sich nur für eine bestimmte Zeit von ihrer Umgebung verabschieden wollen, steht eine Timerfunktion zur Verfügung, die sich gut mit der Pomodoro-Technik (siehe die App-Infos in Heft 4/2015) verbinden lässt. Hinzu kommt, dass Noisli optisch ansprechend und mit Liebe zum Detail gestaltet ist. Die App gibt es zurzeit zum Preis von 1,99 Euro lediglich für iOS-Geräte, die Veröffentlichung einer Android-Version ist jedoch schon für dieses Frühjahr geplant. Einfach mal im Google Play Store die Augen offen halten.

Entspanntes Donnerwetter

Viele Menschen finden Regen oder Gewitter als Hintergrundgeräusch konzentrationsfördernd. Ihnen sei „Rainy Mood“ empfohlen. Das Konzept ist simpel: einfach die gewünschte Regenlautstärke einstellen und die Donnerfrequenz auswählen. Langweilig wird es nicht. Es stehen über 100 verschiedene Donnerschläge zur Verfügung, die für Abwechslung sorgen.

Reichen Regen- und Gewitterberieselung nicht aus, kann man unter der Geräuschkulisse auch Musik hören. Auf iOS lässt sich die eigene iTunes-Bibliothek aus der App heraus anwählen. Vor dem Einstellen der Regengeräusche muss man Spotify individuell starten. Ein Wermutstropfen: Der eingebaute Timer erlaubt die automatische Abschaltung lediglich nach einer Stunde. Wer eine längere oder kürzere Klangperiode wünscht, hat Pech gehabt.

Die Sounds für Rainy Mood haben laut Hersteller die besten Audio-Ingenieure der Welt aufgenommen, unter ihnen Sounddesigner, die bereits für den Discovery Channel, National Geographic und die BBC gearbeitet haben. Gepaart mit der sehr guten HD-Audio-Qualität erklärt das vielleicht den mit 3,99 Euro relativ hohen Preis für diese simple Anwendung.

Leider kann man Rainy Mood für Android nicht empfehlen. Die App blieb auf dem Google Nexus 5 der Autoren unter Android 6 schlichtweg stumm und zeigte auf einem älteren Gerät unter Android 4.4 Aussetzer im Audio-Stream. Schaut man sich die Kommentare im Play-Store an, scheinen das gängige Probleme zu sein.

Regenfans unter den Android-Benutzern sei daher die App „Rain Sounds – Sleep & Relax“ ans Herz gelegt. Sie ist in der Grundversion kostenlos und funktioniert einwandfrei. Die App bietet neun Grundthemen von „Perfect Storm“ über „Regen im Zelt“ bis hin zu Gewittern. Jedes dieser Themen lässt sich mit individuellen Einstellungen verfeinern. So kann man in der Szene „Calm Beach“ beispielsweise einstellen, wie viele Möwen die App in den Audio-Stream einbettet.

Auch „myNoise“ verfügt über eine Regenkulisse, andere Klangoptionen bieten jedoch einen größeren Hörgenuss. Ein gelungenes Feature ist, dass sich die einzelnen Töne, aus denen ein Klang besteht, individuell einstellen lassen. Wer also höheren Höhen oder tieferen Bässen lauschen oder einfach nur deren Lautstärke anpassen möchte, kann das dem eigenen Geschmack entsprechend tun. Sowohl den bereits genannten Regen als auch Kompositionen namens „Spring Walk“, „Temple Bells“ oder „Binaural Beat Machine“ sind im kostenlosen Download enthalten. Für jeweils 0,99 Euro lassen sich weitere Geräusche per In-App-Kauf hinzufügen. Die lange Liste der verfügbaren Titel enthält unter anderem Walgesänge, Katzenschnurren, Flugzeuggeräusche oder afrikanischen Trance – wer selbst hierbei nichts Konzentrationsförderndes findet, sollte vielleicht besser zu Hause arbeiten.

Meditieren ohne Esoterik

Eigentlich ist „Calm“ eine Meditations-App, sie eignet sich jedoch auch sehr gut als Lieferant von Hintergrundgeräuschen zur Ablenkung oder Entspannung. Wer sich näher für das Konzept hinter der App interessiert, dem sei das Buch „Calm the Mind. Change the World.“ ans Herz gelegt. Es sei an dieser Stelle positiv angemerkt, dass es sich um eine Meditations-App frei von Esoterik handelt.

Die kostenlose App startet mit einer animierten Videosequenz – zum Beispiel „Mountain Lake“ oder „Sunset Beach“ – und einer zum jeweiligen Thema passenden Geräuschuntermalung. Allein dieses Feature kann man als gelungen und stimmungsvoll bezeichnen. Calm liefert vier solcher Sequenzen mit und man kann circa 20 weitere kostenlos über die App herunterladen.

Wer die darüber hinausgehenden Meditations- und Entspannungsübungen nutzen möchte, gelangt mit einem Tap auf den Meditate-Button zur Auswahl verschiedener Mehrtagesprogramme wie „7 Days of Calm“ oder „7 Days of Focus“. Daneben gibt es geführte Meditationen wie „Calm“, „Calming Anxiety“ oder „Motivation“. Diese gibt es je nach Thema in Ausprägungen zwischen zwei und 30 Minuten Länge. Daher lassen sie sich auch in kurze Pausen im Arbeitsalltag einbinden.

Die meisten dieser angeleiteten Übungen (leider nur auf Englisch) erfordern ein kostenpflichtiges Abo via In-App-Kauf zu Preisen von 9,99 Euro pro Monat oder 39,99 Euro pro Jahr. Die Produktionsqualität der vielen Übungen und Meditationen bietet aus Sicht der Autoren allerdings ein deutlich besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als das hinsichtlich der Kosten vergleichbare Focus@will-Abo. (ka)