iX 4/2016
S. 112
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Ein hannoverscher Großrechner hilft, Gravitationswellen nachzuweisen

Rechentitan

Der Nachweis von Gravitationswellen erfordert weltweit hohe Rechenkapazitäten. Einen Großteil davon steuert Atlas, der leistungsstärkste Cluster innerhalb der LIGO Scientific Collaboration, von Hannover aus bei.

Wenn zwei Körper ihren Abstand verändern, ohne sich bewegt zu haben, hat vermutlich Albert Einstein seine Finger im Spiel. Der hat mit der Allgemeinen Relativitätstheorie die mathematische Grundlage für sogenannte Gravitationswellen gelegt: periodische, zeit- und ortsabhängige Schwankungen der Raumzeit, woraus die oben erwähnten Längenschwankungen herrühren. Der erste direkte Nachweis musste lange auf sich warten lassen – immerhin etwa 100 Jahre. Schwierig war er aus zwei Gründen. Gravitationswellen entstehen, wenn Massen beschleunigt werden: Dafür empfehlen sich Sterne, besser Neutronensterne (die sind dichter) oder sogar schwarze Löcher – Standard-Laborausrüstung erzeugt nur sehr schwache Gravitationswellen. Die resultierenden Längenänderungen sind sehr klein, weshalb ihre Messung nicht direkt erfolgen kann, sondern zum Beispiel mit einem Interferometer (siehe Kasten).

Die Messung der LIGO-Detektoren, die im Februar die Schlagzeilen gefüllt hatte, betraf die Kollision zweier einander umkreisender schwarzer Löcher und ist der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen. Derartige spiralförmig ineinanderlaufende kompakte Objekte erzeugen messbare Gravitationswellen. Abhängig von den beteiligten Massen und den Eigendrehimpulsen der schwarzen Löcher lässt sich die Form der Signale vorhersagen. Dafür existiert eine Datenbank mit 250 000 Templates, die bestimmten Kombinationen von Massen und Eigendrehimpulsen zugeordnet sind. Am Atlas-Cluster in Hannover vergleichen die Physiker den Datenstrom mit den möglichen, vorhergesagten Signalen, um diese im Rauschen überhaupt zu finden. Der Vergleich beinhaltet eine Fouriertransformation des Produkts der gemessenen Signale und der Templates im Frequenzraum. Sollte ein ausreichend starkes Signal in den Messungen existieren, wird ein Match sichtbar. Zum LIGO-Experiment gehören zwei Detektoren in Livingston (Louisiana) und Hanford (Washington) mit einer Entfernung von etwa 3000 Kilometern – einmal quer durch die USA. Damit Ereignisse an den zwei Orten miteinander in Korrelation gesetzt und als kosmischen Ursprungs betrachtet werden können, darf der zeitliche Abstand zwischen den beiden Detektoren maximal zehn Millisekunden betragen. Das ist die Zeit, die Gravitationswellen benötigen, um diese Distanz zurückzulegen.