iX 5/2016
S. 138
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Spiele des Jahres

Preisgekrönt

Seit fast vierzig Jahren zeichnet der Verein „Spiel des Jahres“ deutschsprachige Brett- und Kartenspiel-Neuheiten aus. Viele der Preisträger sind mittlerweile auch als App erhältlich.

Vor nahezu genau vier Jahren ging es an dieser Stelle schon einmal um App-Umsetzungen gängiger Brettspiele. Seitdem sind einige weitere Brett- und Gesellschaftsspiele als App-Version erschienen. Dieser Artikel stellt solche vor, die als „Spiel des Jahres“ ausgezeichnet oder dafür nominiert wurden.

Der vom gleichnamigen Verein vergebene Kritikerpreis für Familienspiele im weitesten Sinne wurde erstmals 1979 an den Titel „Hase und Igel“ von Ravensburger verliehen. Das Format der Auszeichnung hat sich seitdem mehrfach verändert. So gibt es etwa seit 1999 eine öffentliche Liste von Nominierungen, seit 2001 das „Kinderspiel des Jahres“ und seit 2011 auch den Preis „Kennerspiel des Jahres“, der für komplexere Titel für erfahrenere Spieler vergeben wird.

Neben der Anerkennung der hohen Qualität hat die Prämierung eines Spiels kommerzielle Bedeutung. Verkaufen sich erfolgreiche Brettspiele circa 25 000- bis 30 000-mal, kann das Spiel des Jahres oft mit der zehnfachen Verkaufsmenge rechnen. Auf dieser Basis ist der Weg zu einer App-Umsetzung nicht weit – falls das Konzept des Brettspiels sich dafür eignet.

Mister X ist auf der Flucht

Einer der frühesten als App verfügbaren Preisträger ist „Scotland Yard“. Wer in den 1980er-Jahren noch recht klein war, hatte mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit die blaue Ravensburger-Kiste im Kinderzimmerschrank. 1983 als Spiel des Jahres ausgezeichnet, erlebte das Brettspiel im Lauf der Jahrzehnte diverse Neuauflagen. Inzwischen gibt es auch die Möglichkeit, Scotland Yard elektronisch zu spielen.

Das Spielprinzip ist altbekannt: Auf einem Londoner Stadtplan versucht Mister X, einer Gruppe von Detektiven zu entkommen. Das Spiel bietet eine gelungene Kooperationsvariante, denn nur gemeinsam kann es den Verfolgern gelingen, den Flüchtenden zu schnappen. Zu Fuß oder per Taxi, Bus und U-Bahn bewegen sich die Spieler durch London. Ist Mister X an der Reihe, weist ein Pop-up darauf hin, den Bildschirm von den Detektiven abzuwenden, damit sie nicht sehen können, welchen Weg der Ganove einschlägt. Wer die Rolle des Mister X von der Brettspielversion kennt, wird sicherlich nicht den Aufwand vermissen, den man betreiben musste, um nicht den Überblick über den geheimen Standort zu verlieren. Die Tablet-Version zeigt auch Mister X jetzt seine Position.

Grundsätzlich ist Scotland Yard für iOS und Android gelungen umgesetzt. Den meisten Spaß werden jedoch Nostalgiker haben, da es Erinnerungen an Spiele-Nachmittage mit Oma Anni, Opa Fritz und Tante Hildegard weckt. Den Preis von 4,99 Euro ist das wert.

Ist Kooperation in der Gruppe das Ziel und steht der Gewinn eines Einzelnen im Hintergrund, bietet sich auch „Pandemie“ an. Die Brettspielversion, die es bereits seit 2008 aus dem Hause Pegasus gibt, wurde 2009 für den Spiel-des-Jahres-Preis nominiert. 2012 hat der Hersteller ein paar Regelanpassungen vorgenommen und den Titel bei Z-Man neu aufgelegt. Für iOS- und Android-Geräte gibt es Pandemie unter dem englischen Originalnamen „Pandemic“; allerdings ist die App dennoch in deutscher Sprache gehalten.

Bei Pandemic gehören die Spieler einer Spezialeinheit für Seuchenbekämpfung an, deren Ziel es ist, Heilmittel zu finden, Infektionen zu behandeln und tödliche Seuchen einzudämmen. Jeder Teilnehmer übernimmt eine bestimmte Rolle – beispielsweise Sanitäter, Logistiker, Betriebsexperte oder Forscher. Das Szenario setzt für die Lösung der Aufgabe Teamarbeit voraus. Die Gruppe sitzt also entweder um das Tablet herum oder reicht es nach jedem Spielzug weiter. Gemeinsam gilt es die Welt vor dem Untergang zu retten.

Das hört sich sehr komplex an, und tatsächlich wirkt das umfangreiche Regelwerk zunächst etwas überwältigend. Doch dank der gelungenen elektronischen Umsetzung finden auch Spieler, die sich noch nie mit Pandemie beschäftigt haben, schnell Zugang zum Spiel. Besonders hilfreich sind hier die verschiedenen Startversionen, die von „Ich habe noch nie Pandemie gespielt“ über „Ich habe schon Pandemie gespielt, aber nicht diese Version“ bis hin zu „Ich weiß, was ich tue. Lass mich die Welt retten“ reichen.

Pandemic lässt sich auch allein spielen, indem ein Einzelspieler mehrere Rollen ausführt. Zum Preis von 6,99 Euro (iOS) beziehungsweise 7,65 Euro (Android) eine lohnenswerte Anschaffung.

Kamelrennen in Ägypten

„Camel Up“, Spiel des Jahres 2014, wurde im Oktober 2015 für iOS und Android veröffentlicht. Thematisch ist es im alten Ägypten angesiedelt und beschäftigt sich mit Kamelrennen. Fünf verschiedenfarbige Tiere befinden sich auf einer quadratischen Rennstrecke und man erhält Siegpunkte durch erfolgreiches Wetten auf die Position der Kamele nach jeder Etappe oder auf den Gewinner und Verlierer des Rennens.

Ein Spielzug besteht aus einer von vier Aktionen: ein zufälliges Kamel ein bis drei Felder durch Würfeln vorwärtsbewegen, Oase oder Fata Morgana platzieren oder auf Etappen- beziehungsweise Endposition wetten. Kamele lassen sich auch übereinanderstapeln und so kann ein Außenseiter auf einmal von einem unteren Kamel zur Spitze des Feldes getragen werden. Die Spieler müssen versuchen, solche Eventualitäten im Rennverlauf zu lesen und entsprechende Wettkarten zu ergattern.

Camel Up ist stimmungsvoll im Originaldesign des Brettspiels umgesetzt und kann von zwei bis acht menschlichen Spielern und/oder Computergegnern an einem Gerät gespielt werden. Ein Manko sind allerdings die extrem kurze Anleitung und das Fehlen eines funktionierenden Tutorials. Leider erweist sich dadurch der Einstieg in Camel Up ohne Kenntnis des Brettspiels und dessen Regeln als schwierig. Zum Preis von 4,99 Euro ist die App daher eher eine Empfehlung für Fans und Kenner des Originals.

An Hilfe für Neueinsteiger mangelt es der elektronischen Umsetzung von „Agricola“ nicht. Das Spiel gewann 2008 den Jury-Sonderpreis „Komplexes Spiel“, kommt mit umfangreichen Tutorials und ist danach auch ohne Erfahrung mit dem Brettspiel schnell spielbar. Agricola versetzt den Spieler in die Situation eines bäuerlichen Ehepaars im Europa des 17. Jahrhunderts. Man startet mit einer eher heruntergekommenen Hütte und etwas Landbesitz. Ziel ist es, daraus in vierzehn Runden einen gut gehenden Hof mit bewirtschafteten Feldern, Tierzucht und Familiennachwuchs zu machen.

Im Wesentlichen besteht ein Spielzug darin, die eigenen Familienmitglieder auf verschiedene Aktionen im Dorf zu platzieren. Dabei kann es sich um das einfache Erwerben von Rohmaterial wie Holz oder Lehm handeln, es gibt aber auch komplexere Aktionen wie das Pflügen eines Feldes oder das Bauen von Tierunterständen. Aktionen stehen allerdings nur in limitierter Menge zur Verfügung und man muss abwägen, was der eigenen Farm in diesem Zug am meisten hilft. Im Verlauf der Spielphasen und Runden wird mehrfach geerntet und man muss natürlich auch darauf achten, dass die Ernährung der Familie gewährleistet ist. Zur Not muss dann schon einmal ein Schaf daran glauben, indem der Spieler es mit dem Finger auf die Feuerstelle zieht 

Eine bäuerliche Zeitreise

Agricola gibt es zum Preis von 6,99 Euro für iOS. Optisch ist es sehr ansprechend umgesetzt. Die Aktionskarten des Brettspiels sind einer animierten Dorflandschaft gewichen. Neben verschiedenen Offline-Modi für einen bis fünf Spieler gibt es die Möglichkeit, online mit anderen Agricola-Fans zu spielen. Das setzt allerdings einen Account auf den Onlineservern des Herstellers Playdek voraus. Die Erweiterungsdecks des Brettspiels sind als In-App-Käufe zu Preisen von 1,99 Euro bis 3,99 Euro erhältlich.

Sind potenzielle Mitspieler im Familien- oder Freundeskreis rar, empfiehlt sich „The Game – Spiel … so lange du kannst!“ für iOS und Android. Während das 2015 für das „Spiel des Jahres“ nominierte Brettspiel für ein bis fünf Spieler ausgelegt ist, handelt es sich bei der App um eine Einzelspieler-Variante.

Der Spieler muss die nummerierten Karten in vier Stapeln ablegen – zweimal in auf- und zweimal in absteigender Reihenfolge. Dabei geht es darum, möglichst viele der Karten – im Idealfall alle 98 – loszuwerden. Klingt zunächst einfach, denn Zahlenfolgen bilden kann ja schließlich jeder. In der Realität gestaltet sich das Spiel jedoch kniffliger und es gilt, keine voreiligen Entscheidungen zu treffen. Zum Preis von 2,99 Euro ist diese App ein Schnäppchen. Die Anschaffung lohnt sich für alle, die gern allein spielen, denen es an Mitspielern mangelt oder die gelegentlich etwas Zeit überbrücken müssen. (ka)