iX 5/2016
S. 119
Wissen
Datenübertragung
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Kurz erklärt: Silicon Photonics

Im Licht

Angesichts schrumpfender Halbleiterstrukturen werden elektrische Übertragungswege immer mehr zum Nadelöhr. Silicon Photonics – Licht sendende Chips – markieren deshalb den nächsten Entwicklungsschritt der Miniaturisierung.

Die steigende Packungsdichte in der Mikroelektronik fordert an ungewohnten Stellen Tribut: Ob der immer kürzeren Schaltzeiten entwickeln sich die Verbindungen, die Interconnects, gleich ob zwischen zwei Chips oder den einzelnen Ebenen eines komplexen Chips, zum Flaschenhals. Zum Verständnis ein kleiner Exkurs in die Welt der Elektronik.

Aus Sicht eines am Kabel „angetackerten“ Chips präsentiert sich die Verbindung zu seinem Nachbarn als klassisches RC-Glied, also eine Schaltung, die aus einem ohmschen Widerstand R (Resistor) und einem Kondensator C (Capacitor) besteht. Die RC-Konstante, genauer das Produkt von Widerstand R und Kapazität C, auch genannt die Zeitkonstante τ, beschreibt die Geschwindigkeit des Spannungsanstiegs beziehungsweise des -abfalls.

Elektronikerfahrene Personen wissen, dass es sich hierbei um eine Naturkonstante handelt: Wenn die Eigenschaften von R und C – wie im Fall eines Interconnects – von der Physik gegeben sind, lässt sich die Ladezeit nicht verkürzen. Die Initialladung des Kondensators stellt hohe Ansprüche an die fürs Treiben zuständigen Transistoren: Halbleiterbauelemente mit sehr kleinen Strukturgrößen können den dazu notwendigen Strom nicht unbedingt bereitstellen. Zudem verursacht das permanente Umladen des Kondensators Energieverluste, die sich negativ auf die Akkulaufzeit beziehungsweise den Thermal Envelope auswirken.

Dagegen kümmert sich Licht nur wenig um die RC-Konstante – per Lichtwellenleiter verbundene Chips können ihre Daten pfeilschnell austauschen. Deshalb versucht Silicon Photonics, eine relativ junge Technik für die Herstellung von Mikrochips, optische und elektronische Komponenten in Siliziumsubstrat zu integrieren. Die so gefertigten Mikrochips können über Lichtwellenleiter bei einer extrem verringerten Leistungsaufnahme Daten von mehreren TBit/s senden; das Senden von Signalen über konventionelle elektrische Leiter entfällt.

Ich leuchte ungern 

Als Lichtwellenleiter ist Silizium ob seiner Eigenschaft als indirekter Halbleiter geradezu ideal geeignet: Siliziumbahnen können ausgesprochen schmal ausfallen, da die Elektronen nur schwer in das Valenzband zurückkehren. Zudem erlaubt der Stoff, extrem feine Bahnen herzustellen. In der Literatur ist die Rede von nur 10 µm breiten Lichtwellenleitern, die direkt am restlichen Chip sitzen.

Beim Einsatz als Licht-Emitter wirkt sich das indirekte Bandgap (Bandlücke) zwischen Leitungs- und Valenzband leider negativ auf das Verhalten von Silizium aus. Hier eignen sich Halbleiter mit direktem Bandübergang besser. Bei ihnen genügt es, eine ausreichend hohe Spannung anzulegen. Die aufsteigenden Elektronen fallen in das Valenzband zurück und emittieren dabei ein Photon mit der überschüssig gewordenen Energie.

Ob des Unterschieds im „Drehmoment“ ist die Realisierung eines derartigen Vorgangs in Silizium wesentlich schwieriger. Nicht ohne Grund sind die meisten Leuchtdioden aus exotischen III-V-Halbleitern. Ihre elektrische Leitfähigkeit resultiert aus der Verbindung von Erdmetallen der chemischen Hauptgruppe III oder Borgruppe mit Elementen der Stickstoff-Phosphor-Gruppe oder Hauptgruppe V. Über ihre Materialzusammensetzung lässt sich das Bandgap beeinflussen – und damit ihre optischen Eigenschaften.

Mir ist kalt 

Im Laufe der letzten Jahre haben sich zwei Methoden herauskristallisiert, mit denen man versucht, die Eigenschaften von Silizium als Licht-Emitter zu verbessern: Einige Unternehmen dotieren Silizium mit Ionen eines anderen Materials, das bei elektrischer Erregung zuverlässig Licht emittiert. In anderen Firmen setzt man auf den als Quantum Confinement bezeichneten Effekt: In sehr kleinen Kristallen verschieben sich die Gaps in eine für die Lichtemission günstige Richtung.

Bei oberflächlicher Betrachtung spricht wenig dagegen, Silizium als Substrat für beliebige Leuchtdioden einzuspannen. In der Praxis funktioniert dies mehr schlecht als recht: Tests zeigen, dass das als Träger dienende Silizium einen Gutteil des von der Diode emittierten Lichts einfängt.

Noch kritischer ist, dass das thermische Verhalten der meisten LED-Stoffe wie des weitverbreiteten Galliumnitrids (GaN) nur schlecht mit Silizium harmoniert: Beim Erwärmen oder Abkühlen zerbricht die Diode. Toshiba und BridgeLux haben laut dem – im Allgemeinen gut informierten – amerikanischen Distributor DigiKey eine Intermediärschicht entwickelt, die sie zwischen Silizium und LED platzieren und die die thermischen Spannungen absorbiert. Leider gibt es noch keine funktionierenden LEDs auf Basis dieser Technik.

Auch Intel ist bei der Einführung seiner Silicon-Photonics-Produkte nicht wirklich erfolgreich. Die für die in Zusammenarbeit mit Corning entwickelten MXC-Konnektoren benötigten Transmitter sind noch nicht auslieferungsreif.

Auch im Low-End-Bereich läuft es nicht wie einstmals geplant. Die mit Apple zusammen als Light Peak entwickelte Übertragungstechnik sollte Computer und Peripherie über Glas- oder Kunststofffasern verbinden. Was tatsächlich auf den Markt kam, funktioniert wie jede andere im PC-Umfeld bekannte Technik mit Kupferleitungen und elektrischer Übertragung.

Dennoch sind Intels derzeitige Schwierigkeiten mit der Technik nicht auf fundamental konzeptuelle Fehler zurückzuführen. Wer dies nicht glaubt, kann jederzeit einen Optokoppler kaufen und aufschleifen. (sun)