iX 3/2017
S. 3
Editorial
März 2017
Jürgen Seeger

Von Eulen und Nachtigallen

Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall“ sagt der Volksmund auf Plattdeutsch. Im angelsächsischen Sprachraum heißt es „One man’s meat is another man’s poison“ und meint dasselbe – was dem einen Grund zum Jubel, kann dem anderem ein Graus sein.

Beide Sprichwörter sind mit Sicherheit älter als die Debatte um den Datenschutz. Dieser Begriff entstand laut Wikipedia in der Mitte des letzten Jahrhunderts, in Deutschland machte er richtig Karriere durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung (1984), Stichwort: Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Gerade in Deutschland ist der Begriff Datenschutz stark emotional besetzt. Insbesondere Vorschläge zur Ausweitung der Videoüberwachung sorgen vorhersagbar für einen steilen Anstieg der Empörungskurve – 1984 ist zwar schadlos überstanden, aber die Gefahr orwellscher Überwachung bleibt ungebannt.

Im Vereinigten Königreich dagegen geht man über die allgegenwärtige Präsenz von Überwachungskameras mit britischer Gelassenheit hinweg. Dort pflegt man andere Aufreger: Eine Personalausweispflicht gilt liberal gesinnten Briten als typische Ausgeburt kontinentaler Polizeistaaten. Der 2008 begonnenen Ausgabe einer ID-Card, die nur Inhaber eines Reisepasses besitzen müssen, ging eine fast 15-jährige Debatte voraus.

Auch US-Amerikaner benötigen keine Personalausweise. (Führerschein und Sozialversicherungsnummer ersetzen nicht dessen flächendeckende Registrierungsfunktion.) Nicht zu reden von einem Melderegister nebst Meldepflicht für den Wohnsitz – die ebenfalls im United Kingdom, in Australien, Kanada und Neuseeland unbekannt ist. War diese Meldepflicht nicht auch so ein Hitler-Ding?

Apropos USA: Dass eine Firma mit den Daten ihrer Kunden nicht tun und lassen kann, was sie will, klingt für die meisten Firmenchefs in den Staaten wie die Vorstufe zum Kommunismus. Wenn man aber einem Amerikaner erzählt, dass in Deutschland Angestellte wegen der Erhebung der Kirchensteuer Arbeitgeber, Hausbank und Staat ihre Religionszugehörigkeit offenbaren müssen – dann glaubt er das ganz einfach nicht. So etwas erwartet er allenfalls in der VR China oder in Nordkorea.

Die Aufzählung der Beispiele über die – etwas hochtrabend ausgedrückt – „kulturell diverse Wahrnehmung der Datenschutzproblematik“ ließe sich noch eine Weile fortsetzen. Belassen wir es aber für dieses Mal dabei, üben wir uns in Entspannung und versuchen einfach, künftig über das Thema Datenschutz etwas pragmatischer und ein bisschen weniger ideologisch zu debattieren.

Unterschrift Jürgen Seeger Jürgen Seeger