iX 8/2017
S. 94
Report
Virtuelle Realität
Aufmacherbild
Quelle: Stefan Marks

Digility – Mixed Reality goes Business

Vermischte Welten

Nach Jahrzehnten der Forschung und Entwicklung wird es Zeit, dass sich die aktiven Player in den Bereichen VR, AR und Mixed Reality miteinander vernetzen. Die Digility in Köln hat dafür bereits zum zweiten Mal eine Plattform geboten.

Digility, Europas größte Konferenz und Ausstellung zu VR, AR und Mixed Reality im B2B-Bereich, will Netzwerke aufbauen und erweitern sowie neue Geschäftsmöglichkeiten aufzeigen, um Augmented und Virtual Reality in den Massenmarkt zu bekommen. Das Vortragsprogramm der diesjährigen Veranstaltung, die Anfang Juli zum zweiten Mal stattfand, eröffnete Jody Medich, Direktorin des Design Labs der Singularity University, einer Kombination aus Universität, Thinktank und Start-up-Investor. Diese 2008 im Silicon Valley vom Zukunftsforscher Ray Kurzweil gegründete Unternehmung wird von Google mitfinanziert und forscht an zukünftigen Technologien, die sich selbst optimieren und menschliches Verhalten perfekt simulieren sollen.

Medich war vorher Principal UX-Designerin (User Experience) für Microsofts HoloLense und den Hand-Tracker Leap Motion. Ihre Keynote „Making Superhumans – The Future of Human Machine Interfaces“ trug dieser Ausrichtung Rechnung. Sie vertritt die Ansicht, dass aktuelle Mensch-Technik-Schnittstellen mehr von der Arbeit abhalten, als diese zu unterstützen. Neue Technologien wie VR, AR, kombiniert mit Machine-Learning-Techniken und Physical Computing, können bewirken, dass der Mensch seine kognitiven und physiologischen Fähigkeiten ausbaut. Medich stützte ihre Argumentation unter anderem auf US-amerikanische Studien, bei denen die VR-Simulation des korrekten Sehens bei Diplopia-Patienten (Doppeltsehen) eine dauerhafte positive Veränderung bewirkt hat. (Zu Quellen im Web siehe „Alle Links“ am Ende des Artikels.)

Mel Slater, Professor an der Universität Barcelona und seit langer Zeit weltweit führend im Bereich Wahrnehmung in virtuellen Umgebungen, sieht Virtual Reality als technisches Werkzeug, mit dem man ausgewählte Aspekte der Persönlichkeit verändern kann. Er berichtete von wissenschaftlich fundierten Studien, die VR nutzten, um Ängste zu therapieren (zum Beispiel vor Höhe, Sprechen vor großen Gruppen), sowie von Untersuchungen, in denen Personen paranoides Verhalten gleichermaßen in der realen Welt und in virtuellen Umgebungen zeigten.

VR verändert das menschliche Selbst

Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse lassen sich laut Slater neue Möglichkeiten für virtuelle Therapien und den Einsatz von IT-Technologie als Werkzeug zur Veränderung des menschlichen Selbst erproben. In einem Versuch konnte er nachweisen, dass bereits die virtuelle Erfahrung in einem anderen Körper zeitweise Einfluss auf die eigene Persönlichkeit oder bestimmte kognitive Fähigkeiten hat. Erlebnisse im Körper einer anderen ethnischen Gruppe verminderten Vorurteile, und das Lösen kognitiver Aufgaben fiel den Probanden leichter, wenn sie im virtuellen Körper eines Albert Einstein steckten.

Fahrzeughersteller wie Audi, VW und Daimler sowie große Konzerne wie Osram, MediaMarktSaturn und Siemens haben ebenfalls bereits erfolgreiche Gehversuche mit Augmented und Virtual Reality unternommen. Technologiefirmen wie HTC, NVIDIA, Microsoft und Unity zeigten ihre neusten Entwicklungen.