iX 8/2019
S. 82
Report
Marktübersicht Low Code

Low Code Tools: Vielfältig und unübersichtlich

Nieder mit dem Code

Achim Born

Grafische Modellierungs- und Design-Tools sollen das Programmieren obsolet machen. Das Geschäft mit Low-Code-Werkzeugen wächst rasant.

Den Wunsch, Anwendungen schnell und einfach zu produzieren, trägt die IT-Wirtschaft seit den 70er-Jahren wie eine Monstranz vor sich her. Mit einem großen Angebot an Low-Code-Plattformen reagieren zahlreiche Anbieter auf das wachsende Bedürfnis nach größerer Produktivität und Flexibilität im Entwicklungsprozess. Die Marktforscher von Gartner beobachten schon über 200 entsprechende Angebote.

Analysten von Forrester haben das Label „Low Code“ vor rund fünf Jahren mit dem Bericht „New Development Platforms Emerge For Customer-Facing Applications“ populär gemacht. Es steht für Werkzeuge, die ein Aspekt eint: Sie sollen das händische Kodieren durch visuelle Editoren, Point-&-Click-Baukästen sowie diverse Automatisierungsfunktionen ersetzen und damit die Einstiegshürde für Programmierer deutlich senken (siehe auch den Artikel „Zusammengesteckt“ auf S. 76). Low Code vereint diverse Entwicklungskonzepte und kommt in verschiedenen Anwendungszenarien zum Einsatz. Die Tool-Umgebungen haben ihre Wurzeln zum Beispiel in der Portal-, Datenbank- oder Workflowtechnik, was man ihnen in der Regel auch noch ansieht.

Gartner unterscheidet zwischen Low-­Code-Anwendungsplattformen (LCAP, einschließlich No Code), Multiexperience-­Entwicklungsplattformen (MXDP) mit unterschiedlichen Frontends und Geschäftsprozessmanagement-/Workflow-­Manage­ment-Systemen (BPMS). Die erste Kategorie füh­rt die RAD-Idee (Rapid Application Development) fort und konzentriert sich auf das schnelle Entwickeln, Bereitstellen und Ausführen von Anwendungen. Dahinter stehen modellhafte Beschreibungen und auf Metadaten beruhende Services.

Unter dem MXDP-Dach versammeln sich Umgebungen, die Dienste auf mobilen Geräten und Endpunkten bereitstellen. Die BPM-Plattformen kümmern sich hingegen primär um das Automatisieren und An­passen der Backendprozesse von Geschäftsanwendungen. Forrester unterscheidet – austariert nach Komplexität der Entwicklungstätigkeit und Aufgabe – zwischen Low-Code-Plattformen für pro­fessionelle Entwickler, für technikaffine Fachleute sowie Werkzeugen zur Prozess­automatisierung.

Kategorien sind schwer zu finden

Wer seine Anwendungsentwicklung in Richtung Low Code umstellen möchte, sollte sich an diesen Kategorien orientieren. Unabhängig vom involvierten Personenkreis und dem Zweck der geplanten Applikation kann die Wahl zugunsten einer dedizierten Low-Code-Plattform oder einer generischen MXDP- beziehungsweise BPM-Umgebung ausfallen (Abbildung 1). Allerdings merkt Gartner an, dass diese Unterteilung keinesfalls trennscharf ist. Vielmehr adaptieren traditionelle BPM-Plattformen häufig Low-Code-Konzepte und umgekehrt hält die Prozessmodellierung Einzug in Low-­Code-Plattformen. Hersteller positionieren sich daher häufig in mehreren Kategorien. Von einem Zwang hinsichtlich der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie will aber auch Forrester nichts wissen, das Ziel der Einordnung sei vielmehr, den Markt für die Kunden übersichtlicher zu gestalten. Selbstredend gebe es überlappende Teile, in denen die Anbieter munter miteinander konkurrieren können.

Entscheidungsbaum für Low Code: Die Wahl eines geeigneten Werkzeugs hängt stark davon ab, wer programmieren soll (Abb. 1)
Gartner 2019

Trotzdem sind in der Szene die üblichen Verdächtigen anzutreffen. Forrester schätzt für professionelle Anwendungsentwickler beispielsweise die Unternehmen OutSystems, Mendix, Kony, Salesforce und Microsoft als Marktführer ein (Abbildung 2). Dahinter stellen sich ServiceNow, GeneXus und Progress an. Als Pendants für den technisch affinen Fachanwender sieht man Filemaker, Caspio, AppSheet und Quickbase in führender Position. Es folgen Kintone, Betty Blocks, Trackvia und Kissflow (Abbildung 3).

So schätzen die Marktforscher von Forrester den Low-Code-Markt für professionelle Entwickler ein (Abb. 2).
Forrester Q1 2019

In einer ähnlichen, im April 2018 veröffentlichten Untersuchung zu Low-Code-Tools aus der Cloud („High-Productivity Application Platform as a Service“) hält Gartner Salesforce, Outsystems, Mendix und ServiceNow für die Topanbieter. Microsoft, AgilePoint, Betty Block, Appian, Oracle, Kony und Pegasystems stehen als Herausforderer oder Visionäre kurz vor dem Eintritt in den Marktführerquadranten.

Mit diesen Werkzeugen sollen auch technisch beschlagene Nutzer Anwendungen erstellen können (Abb. 3).
Forrester Q2 2019

Constellation Research sieht es ähnlich. Aus über 30 professionellen Low-Code-Tools und -Plattformen extrahierte die US-amerkanische Marktforschungsfirma 13 Produkte (siehe Tabelle „Hersteller und Tools“), die nach ihrer Einschätzung zur Auswahl stehen sollten, sobald ein konkretes Vorhaben ansteht. Neben der einfachen Bedienung bei minimalem Programmier-Know-how zählen ein visuelles Anwendungsentwicklungsmodell sowie die Integration lokaler und externer Datenquellen zu den wichtigen Bewertungskriterien für einen Unternehmenseinsatz. Ein professioneller Entwicklungsprozess einschließlich Versionsmanagement gehört ebenfalls dazu. Sicherheit, Integration, Governance, Support und die Solidität des Anbieters stehen bei Constellation klar im Vordergrund.

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