Fahrbericht: Yamaha Tracer 9 GT

Die kürzlich eingestellte FJR 1300 hinterlässt bei den Sporttourern eine große Lücke im Yamaha-Portfolio. Kann die schwächere Tracer 9 GT ein Ersatz sein?

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Yamaha Tracer 9 GT

(Bild: Ingo Gach)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Ingo Gach
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Neulich hatte mich jemand gefragt, welches Sporttourenmotorrad ich denn empfehlen könne, das nicht wie eine genmanipulierte Enduro aussähe. Spontan wollte ich die Yamaha FJR 1300 nennen, als mir einfiel, dass sie gar nicht mehr im Programm ist. Ich hatte im vergangenen Jahr noch das Vergnügen, die gediegene FJR 1300 Ultimate Edition zu fahren und konnte nicht glauben, dass das herrliche Vierzylinder-Sporttourenmotorrad (früher hieß es „Tourensportmotorrad“, aber die Marketingabteilungen haben entschieden, dass der Sport vorne stehen muss) eingestellt werden sollte. Yamaha wollte den Motor der FJR nach 20 Jahren Bauzeit einfach nicht mehr auf die Abgasnorm Euro 5 heben. Ich kam ins Grübeln, da jetzt bei Yamaha die neue Tracer 9 – die Vorgängerin nannte sich noch Tracer 900 – als Sporttourer mit deutlich weniger Hubraum in die großen Fußstapfen der erfolgreichen FJR 1300 treten muss.

Keine leichte Aufgabe für die Tracer 9, denn der mächtige Reihenvierzylinder der 1300er leistete 143 PS sowie 138 Nm Drehmoment und bot sehr souveräne Fahrleistungen. Andererseits kann die Tracer 9 mit dem exzellenten CP3-Motor aufwarten und außerdem bietet Yamaha sie auch als GT-Version an, die neben einer gehobenen Serienausstattung noch ein semi-aktives Fahrwerk besitzt.

Yamaha hat das Naked Bike MT-09, auf der die Tracer 9 basiert, für das aktuelle Jahr komplett überarbeitet. Sie erhielt unter anderem einen leichteren Aluminiumrahmen und der Dreizylindermotor bekam neben Abgasnorm Euro 5 auch gleich 43 cm3 mehr Hubraum. Er holt nun aus 890 cm3 119 PS und damit vier zusätzliche Pferdestärken. Außerdem stieg das maximale Drehmoment von 88 auf 93 Nm und zwar schon bei 7000 statt wie bisher bei 8500 U/min. Das kommt der Tracer 9 entgegen, denn der Tourenfahrer schätzt es, wenn die Kraft früh anliegt.

Über die neue Optik der Tracer 9 gibt es kontroverse Meinungen, aber einen Schönheitswettbewerb wird sie vermutlich nie gewinnen. Dabei hat sich Yamaha beim Design streng an das Prinzip „Form follows function“ gehalten. Die Verkleidung erfüllt ihren Zweck, wurde aber so knapp wie möglich gestaltet und endet sogar oberhalb der Krümmer, sodass sie genau genommen gar keine Vollverkleidung ist. Dabei haben die Ingenieure die Verkleidung doppelwandig ausgeführt, um die Aerodynamik zu verbessern und noch zusätzlichen Anpressdruck zu erzeugen, immerhin erreicht die Tracer 9 GT eine Höchstgeschwindigkeit von 218 km/h.

Yamaha Tracer 9 GT (8 Bilder)

Die Yamaha Tracer 9 GT kostet gut ausgestattet und unverhandelt knappe 14.000 Euro und kann erstaunlich geschickt über die kürzlich eingestellte FJR 1300 hinwegtrösten.
(Bild: alle Ingo Gach
)

Unterhalb der beiden schmalen LED-Tagfahrlichter im Raubkatzen-Stil hat Yamaha zwei LED-Kurvenlichter integriert, von dem eines als Abblend- und das andere als Fernlicht fungiert. Oberhalb der beiden Scheinwerfer haben die Entwickler die Verkleidung so geformt, dass Luft direkt in die Airbox geleitet wird. Der Tank fasst immerhin 18 Liter, ist aber nur oben ausladend und im Kniebereich schön schmal geschnitten.

Die erste Sitzprobe fiel positiv aus, das Sitzkissen schmiegt sich angenehm um den Allerwertesten und fühlt sich komfortabel an. Die Sitzhöhe lässt sich durch Verstellen der vorderen Sitzbank von 825 auf 810 mm reduzieren, und das wollte ich natürlich ausprobieren. Der Soziussitz lässt sich wie gewohnt mit dem Zündschlüssel per Schloss am Heck von außen entriegeln und abnehmen. Doch das Fahrersitzkissen kann nur über einen Hebel entriegelt werden, der völlig praxisfremd unter der Bank zwischen Metallstreben versteckt und somit nur schwer zu erreichen ist. Zum Glück muss der Fahrer die Sitzhöhe nur einmal auf sich einstellen.

Die Oberkörperhaltung und der Kniewinkel sind erfreulich entspannt, der Lenker ist hoch und gut gekröpft. Sogar die Fußrastenanlage kann in zwei Höhenpositionen montiert werden. Der große Windschild lässt sich nicht elektrisch, sondern nur mechanisch, dafür aber mit einer Hand auch während der Fahrt stufenlos verstellen. Die GT kann im Vergleich zur Basis-Tracer 9 mit einer üppigeren Serienausstattung auftrumpfen: Hartschalenkoffer samt Trägersystem, Quickshifter, LED-Kurvenlicht und das bereits erwähnte semi-aktive Fahrwerk von KYB.

Das Cockpit ist zweigeteilt, das linke TFT-Display ist von der MT-09 übernommen und zeigt nur die Geschwindigkeit und den eingelegten Gang groß an, die restlichen Daten, inklusive des Drehzahlmessers, sind ziemlich klein geraten. Das rechte Display bietet noch einige Zusatzinformationen, leider können die nur über ein drehbares Rädchen am rechten Lenkerende verstellt werden, was sich während der Fahrt als fast unmöglich erweist: Wenn ich den Gasgriff geöffnet hielt und gleichzeitig versuchte, das Rädchen mit dem Daumen zu drehen, kam es unweigerlich zu Bewegungen am Gasgriff und das Motorrad fing an zu Ruckeln.