Bescheidenheit ist eine Zier: Die überarbeitete Yamaha MT-09 SP im Test

Seite 2: Spielerisches Einlenkverhalten und neutrale Kurvenlage

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Die Entwickler haben beim neuen Jahrgang an der Fahrwerksgeometrie getüftelt, so schrumpfte der Radstand von 1440 auf 1430 Millimeter, der Nachlauf wuchs hingegen von 103 auf 108 Millimeter, während der Lenkkopfwinkel mit 65 Grad identisch blieb. Gleichzeitig wurden die Federwege geringfügig auf 130 Millimeter vorne und 122 Millimeter hinten reduziert. Die MT-09 SP rollt auf erleichterten Aluminiumfelgen und auch bei der Reifenwahl hat sich Yamaha nicht lumpen lassen und montiert serienmäßig Bridgestone S22, die aktuell zu den besten Sportreifen auf dem Markt zählen. Das Ergebnis ist ein spielerisches Einlenkverhalten und eine neutrale Kurvenlage, während die Vorgängerin bei flotter Fahrweise leicht über das Vorderrad schob, was den Kurvenradius vergrößerte. Möglicherweise sank durch den neuen Rahmen auch der Schwerpunkt der MT-09.

Natürlich gibt es Naked Bikes mit deutlich mehr Leistung, aber die 119 PS der MT-09 SP lassen nie der Wunsch nach mehr Leistung aufkommen. Dank der Kombination aus dem kräftig anschiebenden Dreizylinder und superben Fahrwerk erweist sich die Yamaha als exzellentes Landstraßen-Bike, das bestens kontrollierbar ist und beim Vollgasbeschleunigen auch schon Mal das Vorderrad leicht lupft. Der Motor geht präzise ans Gas, der Antrieb ist fast völlig frei von Lastwechseln. Yamaha betont, dass der überarbeitete Motor nicht nur im oberen, sondern auch im mittleren Drehzahlbereich mehr Power zur Verfügung stellt. Im Fahrbetrieb bestätigt sich die Behauptung, der Dreizylinder fühlt sich bei jeglicher Drehzahl wohl und zieht selbst aus dem tiefsten Drehzahlkeller im hohen Gang anstandslos hoch.

Dabei hat die MT-09 SP auch im Komfort zugelegt. Die Sitzbank mit doppelten Ziernähten bietet nun eine breitere Fläche, während sie vorne schmal zuläuft. Selbst der Sozius sitzt bequemer als das knappe Heck auf den ersten Blick vermuten lässt, wenn auch nicht gerade fernreisetauglich. Bei einer Sitzhöhe von 825 Millimetern muss der Fahrer kein Gardemaß haben, um sicher mit beiden Füßen auf den Boden zu kommen. Ein großes Lob möchte ich Yamaha wegen der in zwei Positionen höhenverstellbaren Fußrasten aussprechen – das bieten nur die allerwenigsten Modelle serienmäßig.

Fahrbericht Yamaha MT-09 SP Details (12 Bilder)

Der Rahmen ist eine komplette Neukonstruktion und macht die MT-09 nicht nur steifer, sondern auch handlicher. Gleichzeitig wiegt er weniger als bisher. Sehr begrüßenswert: Die Fußrasten sind in zwei Positionen höhenverstellbar – das bieten nur die allerwenigsten Modelle serienmäßig.

Der Tank ist unten sehr schmal für einen guten Knieschluss, oben hingegen zeigt er sich weit ausladend, denn irgendwo müssen die 14 Liter Benzin ja hin. Die Lenkstange sitzt nun erhöht, weil der Lenkkopf am neuen Modell niedriger ist. Ich sitze entspannt aufrecht und lege mich mit nur leicht vorgebeugtem Oberkörper gegen den Fahrtwind. So lassen sich auf der Autobahn selbst Geschwindigkeiten jenseits der 130 km/h erstaunlich gut aushalten. Erst das Ausloten des Topspeeds von 215 km/h stellt deutliche Herausforderungen an die Nackenmuskulatur.

Die Bremsen vorn mit 298-Millimeter-Bremsscheiben erweist sich als hervorragend, sie verzögern mit glasklarem Druckpunkt und fein regelndem ABS. Das Getriebe der MT-09 SP hat serienmäßig einen Quickshifter mit Blipperfunktion, also Schalten nach oben und unten ohne Ziehen des Kupplungshebels. Er funktioniert vorbildlich und legt die Gänge erfreulich sanft ein, während eine Anti-Hopping-Kupplung erfolgreich die Schläge im Antriebsstrang dämpft. Lediglich das ungebührlich laute Krachen beim Einlegen des ersten Gangs beim Losfahren – mit Kupplung – trübt die sonst tadellose Performance.

Einige Innovationen der MT-09 SP arbeiten im Verborgenen. Sie verfügt nun über eine Sechs-Achsen-IMU, die auch im Superbike Yamaha R1 zum Einsatz kommt.

Vier Fahrmodi stehen zur Auswahl, außerdem lassen sich die Schlupfregelung (TCS), das Slide Control System (SCS) und Lift Control System (LIF) variieren. Darüber hinaus hält die MT-09 SP ein Bremssteuerungssystem (BS) und eine Cruise Control bereit, die ab Tempo 50 und nur in den oberen drei Gängen einsatzbereit ist. Von den vier Fahrmodi lassen sich zwei getrost vergessen: Stufe vier soll als Regenmodus dienen, kappt die Leistung aber so sehr, dass es selbst im strömenden Regen zu viel des Guten ist und in Stufe drei nervt die deutlich verzögerte Gasannahme. Auf der Landstraße benutze ich schließlich nur noch Fahrmodus eins, der Gasbefehle sehr direkt umsetzt, in der Stadt kommt meistens die Stufe zwei zum Einsatz.

Das Cockpit der MT-09 besteht endlich nicht mehr aus einem altbackenen und merkwürdig asymmetrisch geformten LC-Display, sondern einem modernen TFT-Dashboard. Allerdings fällt es mit 3,5 Zoll nur mäßig groß aus. Die Bedienung des Menüs erfordert ein akribisches Studium der Bedienungsanleitung, intuitiv geht anders. Links am Lenker befindet sich ein Wippschalter, der die Fahrmodi und die Stufen der Schlupfregelung auswählt. Rechts am Lenker dient ein kleines Rädchen für das Scrollen der restlichen Infos, seitliches Drücken wählt dann einen Menüpunkt aus. Das mag auf den ersten Blick praktisch erscheinen, aber ich stelle rasch fest, dass es während der Fahrt einige Verrenkungen erfordert, beim Drehen des Rädchens mit dem Daumen gleichzeitig das Gas offen zu halten.

Auch wenn ich zutiefst von der Performance der MT-09 SP beeindruckt bin, fallen mir doch noch zwei Punkte unangenehm auf: Der Lenkeinschlag ist gering und der Wendekreis entsprechend groß. Das kenne ich sonst fast nur von Superbikes. Was aber überhaupt nicht zum edlen Anspruch der MT-09 SP passt, sind die offenen liegenden Kabel und das darum gewickelte Tape unterhalb der Frontmaske – das sieht arg nach Bastelbude aus. Auch die einfach unter den Scheinwerfer gehängte Hupe wirkt wie nachträglich montiert. Hier könnte Yamaha, wie auch beim Bedienkonzept, mit wenig Aufwand deutlich ansprechendere Lösungen finden.

Die neue Yamaha MT-09 SP toppt ihre schon hervorragende Vorgängerin. Der größere Crossplane-Motor und das neue Fahrwerk sind brillant und gehören zu den besten auf dem Markt. Auch wenn die MT-09 SP mit 11.599 Euro kein Schnäppchen ist, rechtfertigt ihre Performance den Preis. So stören die unnötigen Kleinigkeiten umso sichtbarer das nahezu perfekte Gesamtbild.