iX 2/2017
S. 86
Report
Recht
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Weitere Reform des Urhebervertragsrechts tritt in Kraft

Angemessener Ausgleich?

Die Große Koalition hat sich auf eine Reform des Urhebervertragsrechts geeinigt. Etliche Änderungen sollen die Rechte der Urheber stärken. Zahlreiche Ausnahmen gibt es für Software.

Wir wollen das Urheberrecht den Erfordernissen und Herausforderungen des digitalen Zeitalters anpassen. Dabei werden digitale Nutzungspraktiken berücksichtigt. Ziel muss ein gerechter Ausgleich der Interessen von Urhebern, Verwertern und Nutzern sein.“ So lautet die Einleitung des Abschnitts „Reform des Urheberrechts“ im Koalitionsvertrag der Großen Koalition aus dem Jahr 2013. Weiter heißt es dort: „Um die Position des Urhebers zu verbessern und Kreativen eine angemessene Vergütung zu ermöglichen, bedarf es einer Überarbeitung des Urhebervertragsrechts.“

Kurz vor Weihnachten haben Bundestag und Bundesrat eine Reform des Urhebervertragsrechts beschlossen, die Kreativen zu einer „angemessenen Vergütung“ verhelfen soll – zahlreiche Ausnahmen gibt es allerdings im Bereich Software. Quelle: Deutscher Bundestag/phototek.net

Da im Herbst 2017 erneut Bundestagswahlen anstehen und der Koalitionsvertrag spätestens dann seine Gültigkeit verliert, war es für die Große Koalition höchste Zeit, sich auch noch diesem Reformvorhaben zu widmen. Im Dezember 2016 gelang nach einigem Hin und Her ein Durchbruch bei den Verhandlungen. Die daraufhin von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Reform des Urhebervertragsrechts wurde am 26. Dezember 2016 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und wird am 1. März 2017 in Kraft treten.

Bislang schwächere Verhandlungsposition

Kern der Reform ist die Stärkung des Rechts der Urheber auf „angemessene Vergütung“ für ihre Werke sowie die Möglichkeit, diese in vielen Fällen nach zehn Jahren zweitzuverwerten. Den Anspruch eines Urhebers auf „angemessene Vergütung“ durch den Lizenznehmer gibt es seit 2002. Die jetzt verabschiedete Reform soll die Durchsetzung dieses Rechts stärken. In der Begründung des Kompromissvorschlags für das Gesetz durch den entsprechenden Bundestagsausschuss heißt es, „dass sich Kreative in vielen Fällen noch immer auf Vertragsbedingungen einlassen müssten, mit denen sie alle Rechte am Werk beziehungsweise an ihren Leistungen gegen eine unangemessene Einmalzahlung aus der Hand geben (‚Total Buy-outs‘)“. Ursache sei die schwächere Verhandlungsmacht von Urhebern bei Vertragsverhandlungen über die Lizenzierung ihrer Werke, was oftmals „zu unangemessen niedrigen Vergütungen der Urheber und ausübenden Künstler“ führt.

Die gesetzliche Verankerung von drei Grundsätzen soll das ändern: Erstens soll „jede Nutzung angemessen vergütet“ werden. Zweitens soll „ein gesetzlicher Auskunftsanspruch über die erfolgte Nutzung geschaffen werden“. Drittens soll bei ausschließlichen Nutzungsrechtseinräumungen und lediglich pauschaler Vergütung ein Urheber „sein Werk nach Ablauf von zehn Jahren anderweitig verwerten können“. Einem ursprünglich ausschließlichen Lizenznehmer soll dann nur noch ein einfaches Nutzungsrecht verbleiben. Das bedeutet, dass der Urheber in dem Fall auch anderen Lizenznehmern eine Verwertung seines Werkes gestatten kann. Eine ausschließliche Nutzung und Verwertung durch einen einzigen Lizenznehmer kann es danach allerdings nur noch geben, wenn der erste Lizenznehmer auf seine Nutzungsrechte nach Rückruf der Lizenz durch den Urheber verzichtet.

Der Auskunftsanspruch des Urhebers klingt auf den ersten Blick sehr weitreichend. Im neuen § 32d Absatz 1 des Urhebervertragsgesetzes (UrhG) heißt es: „Bei entgeltlicher Einräumung oder Übertragung eines Nutzungsrechts kann der Urheber von seinem Vertragspartner einmal jährlich Auskunft und Rechenschaft über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile auf Grundlage der im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes üblicherweise vorhandenen Informationen verlangen.“ Mit der Regelung im letzten Satz ist auch klargestellt, dass keine zusätzlichen Dokumentationspflichten geschaffen werden, sondern sich der Auskunftsanspruch nur auf die normalerweise vorhandenen Informationen und Dokumente bezieht. Dennoch bedeutet ein solcher Anspruch für den Lizenznehmer einen gewissen Aufwand.

Geschäftsgeheimnisse in Gefahr?

Kritiker monierten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens an dieser Regelung, dass der Lizenzgeber dadurch auch zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen verpflichtet werden kann. Welche Relevanz dieses Risiko in der Praxis haben wird, bleibt zunächst abzuwarten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu Gerichtsprozessen kommt. Betroffene Lizenznehmer könnten möglicherweise einwenden, dass ein zu weitgehender Auskunftsanspruch in unzulässiger Weise in ihr verfassungsrechtlich geschütztes Recht „am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ eingreift. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn das zugrunde liegende Werk des Urhebers als „nachrangig“ anzusehen ist, es also zum typischen Inhalt eines Werkes, eines Produktes oder einer Dienstleistung zählt.

Da es bei der Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in den meisten Fällen mehr Beteiligte gibt als nur einen Lizenzgeber (also den Urheber) und einen Lizenznehmer, sieht die Gesetzesreform vor, dass diese Auskunftsrechte auch gegenüber Dritten bestehen, mit denen der Urheber keine unmittelbare vertragliche Beziehung hat. Entscheidend dafür ist, ob jemand einen Nutzungsvorgang in der Lizenzkette „wirtschaftlich wesentlich bestimmen“ kann.

Dieser Auskunftsanspruch gilt nicht für Computerprogramme, also Software. Eine gesetzliche Definition dafür gibt es nicht, da man fürchtete, dass eine Definition rasch von der tatsächlichen Entwicklung überholt würde. Das Oberlandesgericht Hamburg hat 1998 (Az. 3 U 226/97) ein Computerprogramm definiert als einen „Satz von Anweisungen an ein informationsverarbeitendes Gerät und an den mit diesem Gerät arbeitenden Menschen zur Erzielung eines Ergebnisses“. Auch andere Definitionen, etwa nach DIN 44300, definieren den Begriff abstrakt. Allgemein gehen Juristen daher davon aus, dass er sehr weit zu verstehen ist.

Bei komplexeren multimedialen Werken, die wie Computerspiele aus mehreren digitalen Werken bestehen, könnte es Diskussionen darüber geben, ob der neue Auskunftsanspruch auch für sie greift. Ob Grafiken, Audio- und Videoelemente, Fotografien oder Textelemente im Einzelfall unter den Begriff des Computerprogramms fallen oder sie im Gesamtkontext als nachrangige Werke ohnehin nicht vom Auskunftsanspruch umfasst sind, dürfte allerdings im Zweifelsfall gleichgültig sein. Streitigkeiten mag es zwar auch in diesem Bereich geben, dennoch dürfte der weit auszulegende Begriff des Computerprogramms hier wenig juristischen Spielraum lassen und ein Auskunftsanspruch ausgeschlossen sein.

Die Bedeutung von „angemessen“

Die große Unbekannte in diesem Zusammenhang ist, wann eine Vergütung als „angemessen“ gilt. Daher gibt es bereits seit einiger Zeit für „Vereinigungen von Urhebern“ die Möglichkeit, „mit Vereinigungen von Werknutzern oder einzelnen Werknutzern gemeinsame Vergütungsregeln“ aufzustellen. Die gesetzlichen Vorgaben zu diesen gemeinsamen Vergütungsregeln werden nun ebenfalls erweitert. Soweit eine Vereinigung „einen wesentlichen Teil der jeweiligen Urheber“ vertritt, darf sie für diese verbindliche Vereinbarungen abschließen. Außerdem sollen Vergütungsregeln auch für Lizenzverträge gelten, die bereits zuvor abgeschlossen wurden. Das bedeutet, dass grundsätzlich jede vertragliche Regelung über Lizenzgebühren, die nach dem Inkrafttreten des Reformgesetzes wirksam wird, im Nachhinein durch solche gemeinsame Vergütungsregeln ausgehebelt werden kann.

Soweit es den Vereinigungen nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr gelingt, ihre Verhandlungen über solche Vergütungsregeln abzuschließen, oder diese scheitern, kann eine Partei eine Einigung durch eine Schlichtungsstelle verlangen. Das Verfahren vor dieser Schlichtungsstelle sowie deren Rechte und Pflichten werden durch die Urhebervertragsreform in Details modifiziert. Damit soll die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, „die Verbindlichkeit des Schlichtungsverfahrens zu verbessern“, umgesetzt werden. Allerdings gelten die Vorschriften über die gemeinsamen Vergütungsregeln nicht für Computerprogramme.

Auch eine weitere wesentliche Neuerung gilt für sie nicht. Der neu eingeführte § 40a UrhG besagt, dass der Urheber nach Ablauf von zehn Jahren auch dann sein Werk anderweitig verwerten darf, wenn er ein ausschließliches Nutzungsrecht gegen eine pauschale Vergütung eingeräumt hatte. Hier sieht das Gesetz Ausnahmen von diesem sogenannten Zweitverwertungsrecht vor. Das Recht besteht nicht, wenn ein Urheber einen lediglich „nachrangigen Beitrag“ zu einem Werk, einem Produkt oder einer Dienstleistung geleistet hat oder es sich um einen Beitrag zu einer Marke oder zu einem anderen schutzfähigen Design oder Kennzeichen handelt.

Dieses Recht zur anderweitigen Verwertung greift außerdem nur, wenn die ursprüngliche Rechteeinräumung gegen eine „pauschale Vergütung“ erfolgte. Erhält der Urheber beispielsweise Umsatzbeteiligungen in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Erfolg „seines“ Werkes, ist der Anspruch ausgeschlossen. Je nach Ausgestaltung der Verträge greifen diese Regelungen auch, wenn es sich um urheberrechtliche Werke handelt, die durch eigene Arbeitnehmer erstellt wurden. Dann könnten sich Diskussionen zwischen ihnen beziehungsweise ihren Arbeitnehmervertretungen und den Arbeitgebern ergeben.

Fazit

Die jüngste Reform des Urhebervertragsrechts zieht weitere Grenzen für den Inhalt von Lizenzverträgen. Urheber haben wie bisher einen Anspruch auf angemessene Vergütung ihrer schöpferischen Leistungen. Künftig können sie von ihrem Lizenznehmer und anderen Personen in der Lizenzkette einmal jährlich Auskunft über die erzielten Erlöse verlangen, um diese Angemessenheit besser beurteilen zu können. Bei einer ausschließlichen Lizenzeinräumung gegen pauschale Vergütung haben sie nach zehn Jahren sogar das Recht, ihr Werk anderweitig zu verwerten. Abweichende Vertragsklauseln sind unwirksam.

Allerdings gelten diese Neuregelungen nicht, wenn es sich entweder um einen nachrangigen Beitrag zu einem Werk oder um Software handelt. Insbesondere die Ausnahme für Software dürfte in den kommenden Jahren die Gerichte beschäftigen, denn trennscharf ist diese Definition nicht. Wie so oft bleiben gerade bei Reformen im Urhebervertragsrecht auch weitere juristische Fragen offen, die die Gerichte beantworten müssen. (ur)