Schule digital: Wie ein Lock-In an Schulen der Gesellschaft schadet

Seite 2: Lock-In bei Software

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Bereits das oben angesprochene großflächige Anschaffen von iPads bringt Schulen einen zusätzlichen Software-Lock-In ein. Aber nicht nur auf Ebene der Betriebssysteme gibt es Lock-In-Fallen für unsere Schulen, denn wie in jedem Unternehmen sind dort eine Vielzahl unterschiedlicher Programme im Einsatz. Es gibt Verwaltungssoftware wie ein Notenprogramm, ein digitales Klassenbuch oder spezielle Software für den Fachunterricht. Außerdem werden in der Pandemie kurzfristig viele Lernplattformen eingeführt, auf denen sich neben Unterricht auch der Austausch des Kollegiums organisiert.

Für die Auswahl von für den Unterricht zugelassener Software existieren bisher wenige Vorgaben vonseiten der Ministerien. Das überrascht, da beispielsweise Schulbücher vor deren Einsatz ein Prüfverfahren durchlaufen. Und so wird rechtswidrige Software wie Microsoft Teams von Schulträgern ausgewählt.

Dass nach jahrelangem Hin und Her für Microsoft Teams ein Verbot ab dem 1. August für hessische Schulen ausgesprochen wurde, kommt sehr spät für viele Schulen. Die Politik hätte dies deutlich früher vorgeben müssen. Denn nicht Landesdatenschutzbeauftragte, sondern Gesetze geben vor, was erlaubt ist und was nicht. Ein Grund für das nötige Verbot ist, dass sich bei der Nutzung von Teams Daten beim US-Konzern ansammeln. Ein "Recht auf Vergessenwerden" ist nicht gewährleistet und die digitale Souveränität unserer Schüler:innen somit gefährdet.

Neben den Problemen, beim Einsatz von Teams die Datenschutzgesetze einzuhalten, ist ein Lock-In in der von Microsoft erdachten Bildungswelt vorprogrammiert. Denn Teams lässt keinen einfachen Datenexport oder -import zu, nutzt proprietäre Formate, ist wenig anpassbar und lässt sich schlecht mit anderen Anwendungen kombinieren. Dies bekommen viele öffentliche Schulen in Hessen, die seit Langem auf Teams setzen, nun zu spüren: Weder lassen sich dort erstellte Klassenteams in einer neuen Lernplattform importieren, noch können über Jahre gewachsene Class Notebooks oder in Forms erstellte Quizze aus Teams weiter genutzt werden. Diese Problematik addiert sich dann noch ungünstig mit dem immer bestehenden Schulungsaufwand aller Nutzer:innen auf neue Produkte, wofür im ohnehin stressigen Schulalltag wenig Zeit ist – insbesondere nicht während einer Pandemie. Gäbe es das behördliche Verbot in Hessen nicht, würden sicherlich die meisten der betroffenen Schulen bei Teams bleiben.

Wegen der fehlenden Anpassbarkeit und dem schwierigen Datenexport aus proprietärer Software sollten auch datenschutzkonforme Lösungen wie its learning nicht in unseren Schulen verwendet werden. Vergleicht man die Welt von vor zehn Jahren mit der heutigen, wird klar, dass wir nicht wissen, welche Technologien in weiteren zehn Jahren in Schulen gebraucht werden. Geschlossene Systeme sind zu unflexibel; sobald sie nicht mehr zu den eigenen Bedürfnissen passen, sitzt man in der Lock-In-Falle. Zu beobachten war dies zu Beginn der Pandemie, als das Videokonferenztool von Teams noch nicht über Breakout-Räume verfügte. Den Lehrkräften und Schüler:innen blieb nur das Verzichten auf Gruppenarbeiten und ein Warten auf das entsprechende Update. Somit musste sich Pädagogik und Didaktik nach der Technik richten anstelle umgekehrt bei gleichzeitiger Einnahme einer passiven Konsumentenhaltung, welche die digitale Mündigkeit gefährdet.

Und wer weiß heute, ob OneNote eines Tages eingestellt wird oder ob ein Unternehmen pleitegeht? Wenn Lehrkräfte ihr gesamtes Material in solchen geschlossenen Systemen erstellen, könnte das ein echtes Problem werden. Das haben die Nutzer:innen von "Padlet", einer digitalen Pinnwand, im vergangenen Jahr gemerkt. Das Tool erfreute sich großer Beliebtheit bis es kostenpflichtig wurde und man seine Datenschutzprobleme aufdeckte. Viel Material und viele Arbeitsstunden gingen verloren.

Das sich monatelang hinziehende Drama um Teams hätte man den Schulen ersparen können, wenn man von vorneherein auf bereits bestehende und praxiserprobte freie Technik gesetzt hätte. Eine solche ist zum Beispiel das seit Jahren betriebene BelWü-Hochschulnetz. Im eigens für den Unterricht in Baden-Württemberg angepassten Moodle wurde in kurzer Zeit und von wenigen Freiwilligen ein Videokonferenzsystem für Schulen hinzugefügt, als es zu Schulschließungen kam, was die Fähigkeit der Anpassung freier Software verdeutlicht. Dass die Systeme anfänglich teilweise unter Last zusammenbrachen, ist nachvollziehbar angesichts der Unterfinanzierung und den Ausstattungsmängeln, mit denen teilweise bis jetzt gekämpft wird. Diese Anpassung braucht es aber, um für jede einzelne Schule individuelle Lösungen bereitstellen zu können. Die technische Umsetzung kann überregional vorbereitet werden und Schulen können sich dann die Teile installieren, die sie wirklich brauchen.

Eine länderübergreifende Entwicklung spart dabei nicht nur Kosten, sondern hilft beim Beheben von Sicherheitslücken und anderer Softwarefehler. Sie setzt allerdings voraus, dass erfolglose Alleingänge, wie wir sie bei den Lernplattformen beobachtet haben, durch kooperatives Handeln ersetzt werden. Dabei braucht es offene Schnittstellen nicht zuletzt auch, um Lernenden und Lehrenden bei einem Schulwechsel einen einfachen Umzug ihrer Daten zu ermöglichen und neue Lernwerkzeuge einfach integrieren zu können.

Die eingesetzte Software muss quelloffen vorliegen, damit Interessierte in der Lage sind, sie zu verstehen, zu bewerten und zu hinterfragen. Wird eine solche Installation dezentral betrieben, werden Schulen digital souverän: Die einzelnen Instanzen sind untereinander ausfallsicher, sie bieten korrekt gehostet einen maximalen Datenschutz und eine große Unabhängigkeit gegenüber Anbieterentscheidungen.