iX 4/2017
S. 70
Report
Künstliche Intelligenz
Aufmacherbild

IBMs Watson für den Arbeitsplatz

Ausgewertet

Künftig soll Watson am Arbeitsplatz jedem Nutzer die Grundlagen für seine Entscheidungen aufbereiten – jedenfalls sofern es nach IBM geht. Auf der IBM Connect zeigte der Konzern umfassende Pläne für das KI-System.

Bei seiner Connect setzte IBM in San Francisco voll auf künstliche Intelligenz. So soll Watson die Überflutung von Arbeitnehmern durch Informationen angehen. Die hat für den Mitarbeiter wie das Unternehmen mehrere Nachteile: ständige Ablenkung, schwieriges Finden relevanter Informationen und ineffiziente Arbeit an Projekten.

IBM zielt hingegen darauf ab, unsere heutige Arbeitsweise an die Stärken (kontextbezogenes Entscheiden) und Schwächen (keine Fähigkeit zum Multitasking) des menschlichen Gehirns anzupassen.

Dabei muss man im Auge behalten, dass IBM nicht an einem besseren SharePoint arbeitet. Im Gegenteil: Basis ist ein neues Paradigma zum Optimieren unserer täglichen Arbeit. Dieser neue Ansatz zielt darauf ab, die Zwänge unserer aktuellen Tool-basierten Arbeitsweise durch einen von Grund auf neu konzipierten kognitiven Arbeitsplatz abzulösen.

Alle Informationen erfassen

Ziel ist es, jedem Nutzer mindestens zwei Stunden täglich einzusparen. Dieses Ergebnis wollen die Entwickler durch das Reduzieren der Komplexität und das Integrieren von Kollaboration in alle Abläufe erreichen. Dabei ersetzt IBM App First durch einen neuen Ansatz, der den Anwender in den Mittelpunkt stellt.

Als ersten Schritt extrahiert Watson Workspace, basierend auf Watson Work Services, entscheidungsrelevante Daten in Echtzeit aus allen Dokumenten, zum Beispiel Notizen, ausgetauschten Texten oder Tabellen, SMS und anderen Mitteilungen sowie E-Mails. Die KI stellt dem Nutzer anschließend Fragen, ordnet Aufgaben und Arbeitsabläufe zu oder informiert über relevante Sachverhalte.

Einschätzungen und Empfehlungen von Watson durchlaufen einen komplexen Prozess.

Wie sieht das in der Praxis aus? Um ihren Posteingang abzuarbeiten, brauchen Nutzer heute täglich zwei bis vier Stunden. Zusätzlich verbringen sie ein bis zwei Stunden damit, relevante Informationen zu suchen oder Dokumente neu zu erstellen, die bereits im Unternehmen vorhanden sind. Leider wissen sie aber oft nicht wo, also erstellen Anwender einfach eine eigene Version.

Individuell angepasst

Hier könnte Watson Workspace ansetzen und eine Liste anstehender Aufgaben erstellen. Dabei müssten Nutzer noch nicht einmal wissen, ob sie eine E-Mail beantworten, ein Dokument kommentieren oder einen Eintrag in SAP vornehmen. Stattdessen sollen sie Entscheidungen treffen, Fragen beantworten und tägliche Aufgaben erledigen, während die KI sich um Prozesse und Technik kümmert (siehe Abbildung).

Ein weiterer Faktor ist, dass die KI die spezifische Rolle des Mitarbeiters, sein Fachgebiet und seine persönliche Arbeitsweise beachten soll: Je nachdem, wo er arbeitet, bestimmen unterschiedliche Zwänge und Prioritäten den Alltag. Trotzdem benutzen aber viele dieselbe Bürosoftware.

Watson Workspace soll hier einen grundlegend anderen Weg einschlagen, indem es Nutzern für ihre Aufgaben spezifische digitale Arbeitsplätze zur Verfügung stellt. Sie beinhalten Wissen, Best Practices und Bestimmungen zur Compliance für eine bestimmte Branche. Zusätzlich lernt der Arbeitsplatz die persönlichen Präferenzen des Anwenders.

Zum Beispiel könnte Watson Workspace wissen, dass eine E-Mail eine dringende Bitte von einem wichtigen Kunden beinhaltet. Die Wichtigkeit des Kunden leitet Watson aus SAP ab. Zusätzlich erhöht die KI die Priorität der Nachricht, da sie aus ServiceNow erkennt, dass beim Kunden noch einige Tickets offen sind. Zudem weiß Watson, dass der Kunde der – strategisch priorisierten – Pharmabranche angehört und die Nachfrage sich auf eine hierfür relevante gesetzliche Neuregelung bezieht. Aufgrund dieser Dringlichkeitsfaktoren beschließt die KI, dass eine Antwort innerhalb der nächsten zwei bis drei Stunden erfolgen sollte, und fügt eine passend hohe Priorität hinzu.

Akzeptanz durch Transparenz

Wichtig ist ebenfalls, dass Watson transparent automatische Entscheidungen vornimmt, also informierte Vorschläge unterbreitet. Der Nutzer kann sie überprüfen und korrigieren. Unter Einbezug der jeweiligen Situation passt die KI ihr Entscheidungsmodell entsprechend an. Die Option, automatische Entscheidungen nachzuvollziehen und manuell zu korrigieren, soll es Nutzern erleichtern, der Software nach und nach zu vertrauen.

An das vorige Beispiel anknüpfend könnte der Produktmanager über jegliche anstehende Gesetzesänderung im Bereich Kopfschmerzmittel Informationen erhalten wollen. Das beinhaltet zusätzlich ansonsten unerwünschte Werbung und Telefonanrufe sowie Newsletter, die normalerweise eine niedrige Priorität haben.

Fazit

Auf der technischen Seite bestehen Watson Workspace und Watson Work Services aus Funktionen und APIs, die Unternehmen graduell einführen können und die nicht existierende Applikationen verdrängen. Kunden können ihre bestehenden Arbeitsplätze nach und nach umrüsten. Auf Wunsch lässt sich die Umgebung als Private Cloud einführen. (fo)