iX 5/2017
S. 90
Report
Netze
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WLAN-Infrastruktur für Unternehmen

Strahlkraft

Eine zweite Generation von Access Points schöpft erstmals das Leistungsspektrum aus, das der IEEE-Standard 802.11ac vorgibt. Für viele Unternehmen steigt dadurch der Anreiz, betagte Exemplare der vorangegangenen Generation zu ersetzen.

Der Markt für Access Points (APs) wächst so schnell wie für kein anderes Gerät im Netzwerk. WLAN-freie Zonen in Unternehmen verschwinden zunehmend und immer mehr mobile Endgeräte erfordern kleinere Funkzellen und damit zusätzliche APs. Hinzu kommt der Austausch von Geräten des in Unternehmen noch vorherrschenden Standards 802.11n. Obwohl die IEEE den Nachfolger 802.11ac bereits Ende 2013 verabschiedet hat, rollt bisher keine große Upgrade-Welle. Der geringe Performancegewinn der ersten Gerätegeneration rechtfertigte in vielen Fällen den Migrationsaufwand nicht.

Hinzu kommt das Henne-Ei-Problem: Solange keine ac-fähigen Clients im Einsatz sind, bringt ein neuer AP wenig. Nachdem 802.11ac in viele neue Endgeräte Einzug gehalten hat, stellt sich die Frage nun erneut. Vor allem aber haben inzwischen die Hardwarehersteller ihre Hausaufgaben erledigt und zwei Jahre nach Verabschiedung des Standards neue Chipsätze auf den Markt gebracht, die die Spezifikationen erstmals weitgehend ausreizen. Um die Leistungsfähigkeit dieser zweiten Gerätegeneration hervorzuheben, hat sich die Bezeichnung „802.11ac Wave 2“ etabliert. Im dritten Quartal 2016 hat sich die Anzahl installierter Wave-2-APs gegenüber dem Vorquartal verdoppelt: auf 10 % bei den Stückzahlen und 20 % beim Umsatz.

Welche Funktionen Access Points genau auszeichnen, damit sie sich „Wave 2“ nennen dürfen, ist nicht klar definiert, denn es handelt sich nicht um einen Standard. Drei wesentliche Erweiterungen gelten aber als essenziell: bis zu 160 MHz breite Kanäle, Multiuser-MIMO (Multiple Input, Multiple Output) und vier Streams.

Dabei müssen die Hersteller nicht unbedingt alle Funktionen implementieren. Sie werben auch dann mit „Wave 2“, wenn die Geräte nicht alle drei Kriterien erfüllen. Als gemeinsamen Nenner sehen sie offenbar Multiuser-MIMO (MU-MIMO) an, während die anderen beiden Features in einer Reihe von Geräten fehlen. Die extrabreiten Kanäle bringen zwar den größten Effekt und verdoppeln den Durchsatz glatt, in der Praxis ist deren Einsatz aber eingeschränkt, da kaum noch einander nicht überlappende Kanäle zur Verfügung stehen. Das erschwert ein Ausleuchten von Etagen mit mehreren Funkzellen.

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Tabelle: Wave-2-Access-Points für den Außeneinsatz

Die Marktübersicht berücksichtigt Geräte, deren Datenblatt mit „Wave 2“ wirbt (was einen Chipsatz der zweiten Generation impliziert) und die MU-MIMO implementieren. Für den Außeneinsatz sind bisher nur eine Handvoll Wave-2-APs verfügbar. Zum einen ist der Markt viel kleiner, zum anderen kommt zur Funktechnik eine aufwendige Gehäuseentwicklung hinzu. Als Besonderheit sind in einigen Outdoor-APs Glasfaser-Ports als Uplink verfügbar. Zwischen indoor und outdoor liegt der AP245X von Aerohive. Er ist als Indoor-AP für einen größeren Temperaturbereich konzipiert und eignet sich damit für Industrieumgebungen.

Access Points für den Unternehmenseinsatz unterscheiden sich deutlich von den Multifunktionsgeräten für den Heimgebrauch. Auf der einen Seite verfügen sie nicht über Zusatzfunktionen wie Printserver oder NAS, die das Konfigurieren verkomplizieren und zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erfordern. Auf der anderen Seite bieten sie Funktionen wie Multi-SSIDs, Netzsegmentierung über VLANs und Nutzerauthentifizierung via Radius (802.1x).

Auf allen Kanälen aktiv

Alle Access Points sind abwärtskompatibel zu den Vorgängerstandards 802.3a/b/g/n, damit auch ältere Endgeräte noch funktionieren. Deshalb sind sie mit zwei Sende- und Empfangsmodulen (Radios) ausgestattet, je einem für das 2,4-GHz- und für das 5-GHz-Band. Der simultane Betrieb beider Frequenzbänder kann zu Einschränkungen im 2,4-GHz-Band führen; der kumulierte maximale Durchsatz beider Bänder steht also nicht notwendigerweise zur Verfügung. In der Praxis sollte sich daraus aber kein Nachteil ergeben, da die Motivation für den Umstieg auf neue APs ausschließlich in den erweiterten Funktionen im 5-GHz-Band liegt.

Einige Geräte bieten inzwischen die Möglichkeit, beide Radios gleichzeitig im 5-GHz-Band zu betreiben, solange kein Client das 2,4-GHz-Band nutzt. Dies lässt sich entweder per Software konfigurieren (Aerohive, Xirrus) oder auch je nach Endgeräten automatisch anpassen (Cisco). Alternativ kann ein Radio als Wireless Intrusion-Detection-/-Prevention-System (WIDS/WIPS) arbeiten. Einige Access Points verfügen zu diesem Zweck sogar über ein drittes Radiomodul. Werben die Hersteller mit einem vierten Radio, handelt es sich nicht um WLAN, sondern um Bluetooth, das nach langem Anlauf heute zu den Standardfunktionen zählt. Diese Erweiterung eröffnet neue Einsatzszenarien im Internet of Things (IoT) mittels BLE (Bluetooth Low Energy) und Beacon-Technologie. Mit deren Hilfe kann etwa ein stationärer Einzelhändler Kunden selbst dann identifizieren, wenn sie nicht im WLAN eingeloggt sind, und auf einem Werksgelände oder im öffentlichem Raum lassen sich Gegenstände mittels Beacons orten.

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Tabelle: Access Points gemäß IEEE 802.11ac „Wave 2“ für Unternehmen

Aus der Anbieterliste sticht Xirrus mit vier und acht programmierbaren Radiomodulen heraus, was praktisch mehreren APs in einem Gehäuse entspricht. Das reduziert den Installationsaufwand. Physisch voneinander getrennte Access Points können eine Fläche allerdings besser ausleuchten. Der Hersteller nennt eine Kapazität von 1000 parallelen Verbindungen auf engem Raum, wie sie etwa in Kongresszentren oder Stadien vorkommen. In welchen Einsatzszenarien dies bessere Ergebnisse bringt als mehrere einzelne APs, kann nur ein Praxistest zeigen. Bisher hat kein anderer Hersteller diese Idee umgesetzt, die Xirrus bereits seit der Verabschiedung des ac-Standards verfolgt.

Da 802.3ac den Herstellern große Freiheiten bei der Implementierung lässt, unterscheiden sich die Datenübertragungsraten der Access Points beträchtlich voneinander. Sie beginnen bei gut 1 GBit/s und reichen bis zu 5,2 GBit/s – dies allerdings mit dem Trick, beide Radios im 5-GHz-Band funken zu lassen. Wie im Wireless LAN üblich, hängt der Nettodurchsatz stark von der Entfernung und den örtlichen Gegebenheiten ab; er liegt in der Praxis meist weit unter diesen Bruttoangaben.

Zentral verwaltet

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Tabelle: Fortsetzung: Access Points gemäß IEEE 802.11ac „Wave 2“ für Unternehmen

Der angegebene Gesamtdurchsatz eines Access Point bezieht sich in der Praxis immer auf die Verbindung zu mehreren Clients, da diese mit deutlich weniger Antennen ausgerüstet sind. Zum Auslasten eines Vier-Stream-AP sind also vier Endgeräte im 5-GHz-Band notwendig. Die volle Leistungsfähigkeit der neuen High-End-APs kommt nur dann zum Tragen, wenn sämtliche Endgeräte mit entsprechenden Funktionen ausgestattet sind. Daher springen noch nicht alle Hersteller auf den Wave-2-Zug auf. So hat der deutsche Hersteller bintec elmeg neue Geräte mit 2 × 2 MIMO vorgestellt und verweist insbesondere auf die Wirtschaftlichkeit in vielen realen Umgebungen.

Zur Pflicht von Access Points, die das 5-GHz-Band vollständig ausnutzen sollen, gehört die Dynamic Frequency Selection (DFS). Ohne sie bleiben Frequenzbereiche dauerhaft ungenutzt, die sich mit anderen Einsatzgebieten (vor allem Wetterradar) überlappen. Dasselbe gilt für Transmit Power Control (TPC), das die Sendeleistung in den höheren Kanälen steuert. Denn im 5-GHz-Band ist die Signalreichweite geringer als im 2,4-GHz-Band. Das lässt sich mit einer höheren, TPC-geregelten Sendeleistung kompensieren. Kommt ein Cloud-Controller zum Einsatz, kann er die landesspezifischen DFS-Vorgaben unternehmensweit verwalten und steuern.

Zwar werben die Hersteller vornehmlich mit dem hohen Durchsatz der Luftschnittstelle, aber Wave-2-APs bringen darüber hinaus Verbesserungen beim gleichzeitigen Versorgen mehrerer Clients. So ermöglicht es MU-MIMO, dass bis zu vier Clients gleichzeitig und im selben Kanal Daten senden und empfangen. Dazu steuert der AP mehrere Antennen unabhängig voneinander so an, dass die Funksignale bevorzugt bestimmte Endgeräte erreichen. Die Funkzelle wird auf diese Weise von einem Shared Medium quasi zu einem Funk-Switch mit mehreren Segmenten. Dazu müssen allerdings auch die Clients MU-MIMO beherrschen. Je weiträumiger sie sich innerhalb der Funkzelle verteilen, desto besser funktioniert das. Überdies nutzen die Chips der zweiten Generation eine effizientere Modulation (256-QAM), die weniger Overhead für die Fehlererkennung und -korrektur produziert und so die Nettotransferrate steigert.