Schlappe für die kleine CeBIT-Schwester

Hintergrund: Die Absage der CeBIT Home 2000 demonstriert das Scheitern des Konzepts einer "kleinen Multimedia-CeBIT" für Privatanwender.

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Von
  • Jürgen Kuri

Hintergrund: Anfang der Woche hatte die Leipziger Messe noch Grund zum Feiern. Um ihre Kassen zu füllen, wurde sie Anteilseignerin am modernsten Chip-Werk der Welt, für das am Dienstag in Dresden der Grundstein gelegt wurde. Einen Tag darauf musste sie einen empfindlichen Dämpfer hinnehmen. Die Computer- und Medien-Messe CeBIT Home, die vom 30.8. bis 3.9. in Leipzig stattfinden sollte, fällt aus. Zu wenig Aussteller hätten sich bislang angemeldet, noch weniger als vor zwei Jahren, begründete die Deutsche Messe AG in Hannover die Entscheidung.

Überraschend kam die Entscheidung nicht: Nachdem führende Spielehersteller der Branche abgesagt hatten, schloss sich in der vergangenen Woche auch Sony als Marktführer an und wollte nicht mehr mit der Playstation 2 in Leipzig präsent sein. Trotzdem beteuerte die Messegesellschaft zuerst noch, weiterhin an der CeBIT Home festhalten zu wollen – unter anderem mit dem Verweis auf das diesjährige Motto der Messe "Die Welt geht online". Das Trend-Thema Internet konnte eine Veranstaltung aber offensichtlich auch nicht mehr retten, deren Grundkonzeption von dem meisten Ausstellern – und nicht nur den Spieleproduzenten – in Frage gestellt wurde.

Die seit der Wende oft gescholtene Leipziger Messe trägt dieses mal wahrlich keine Schuld. Sie wurde Opfer eines gescheiterten Messekonzeptes. Die CeBIT Home war erstmals 1996 aus der weltgrößten Computermesse CeBIT ausgegliedert worden, weil diese aus allen Nähten platzte. Die Privatbesucher sollten der großen CeBIT fernbleiben und die CeBIT Home besuchen. Das Konzept ging nicht auf: Bereits zur Premiere waren etliche der 623 Aussteller wegen mangelnder Besucher nicht zufrieden. 1998 sank dann auch die Zahl der Aussteller auf 568, die der Besucher auf 180.000. Dieses Jahr sollte die CeBIT Home wegen der Expo in Hannover in Leipzig stattfinden. "Mit der Ausrichtung der Messe hätten wir eine Branche nach Leipzig geholt, die den Messstandort noch nicht kannte. Wir hätten zeigen können, wie sehr das neue Gelände und sein Umfeld für Messen in diesem Bereich geeignet ist", bedauert Sprecherin Heike Fischer die Absage. Auch entstünden der Messe durch mangelnde Einnahmen Verluste.

Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) sieht allerdings keinen Image-Verlust für die Leipziger Messe. Aussteller hätten vielmehr auf die guten Bedingungen in Leipzig hingewiesen und betont, dass der Standort Leipzig nicht der Grund für die Absagen ist. "Da in der Branche bekannt ist, warum die CeBIT Home gescheitert ist, dürfte eher die Deutsche Messe AG in Hannover ein Imageproblem bekommen", sagte Tiefensee. Offensichtlich ist das Konzept der CeBIT Home für die Aussteller nicht mehr attraktiv genug, sagte Sachsens Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU). Auch die glänzenden Bedingungen in Leipzig konnten daran nichts ändern. Doch vielleicht hat die Absage die Leipziger Messe vor noch größeren Schäden bewahrt. Hätte die Messe doch stattgefunden und sich als Flop herausgestellt, wäre wohl ein ernsthafter Image-Verlust entstanden.

Die Messegesellschaft in Hannover, die nun die Notbremse zog, meinte zur Absage der CeBIT Home, Leipzig sei als Standort gut geeignet gewesen. Das gesamte Konzept einer Multimediamesse, die sich an die Privatverbraucher wendet, müsse jetzt aber neu überdacht werden. Das ist wohl auch dringend notwendig: Der Verband der Unterhaltungssoftware Deutschland (VUD) warf der Messe AG vor, nicht ausreichend auf Vorschläge für mehr Unterhaltung und Aktionen anstelle einer zu sehr auf Informationen orientierten Messe eingegangen zu sein. Diesen Vorwurf wies Messesprecher Eberhard Roloff zurück: "Wir machen lieber erfolgreich Messen, als sie abzusagen." Die Messe AG werde nun Konsequenzen ziehen. Es werde aber weiter darum gehen, eine neue anwenderorientierte Multimedia-Messe für Verbraucher zu entwickeln.

Da müssen sich die Hannoveraner Veranstalter aber beeilen: Ironischerweise kündigten am selben Tag, an dem die CeBIT Home abgesagt wurde, die Veranstalter der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin an, die IFA "zu einem Schaufenster für neue Technologien, Geräte und Dienste" ausbauen zu wollen. Mit der strategischen Neuausrichtung werde der weiteren Annäherung von Unterhaltungs-, Computer- und Kommunikationstechnik Rechnung getragen. Die Entwicklung führe nicht nur zur Konvergenz der Technik, zu Multimedia-Produkten und intelligenter Vernetzung, sondern auch zu neuen Programmformen und Diensten. Ursprünglich sollte die CeBIT Home alle zwei Jahre in der IFA-losen Zeit stattfinden. Wenn die Berliner Veranstaltung nun die Themen, die für die CeBIT Home vorgesehen waren, verstärkt in ihr Programm einbaut, wird für die kleine Schwester der großen CeBIT die Luft noch dünner. Denn immerhin ist die IFA die Leitmesse der Medien- und Unterhaltungsbranche und erwartet für Ende August 2001 allein rund 900 Aussteller aus 30 Ländern – ideale Bedingungen, um die Neue-Medien- und Computer-Unterhaltungsbranche anzulocken. (jk)