Wie man (Domain-) Millionär wird...

Keiner ist so recht zufrieden mit den neuen Internet-Domains - die nächste Auswahlrunde für Domains dürfte aber auch nicht lange auf sich warten lassen.

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Von
  • Monika Ermert

Keiner ist so richtig zufrieden mit den sieben neuen Domains (gTLD) von .biz bis .museum, mit Ausnahme derer vielleicht, die sie unters Volk bringen wollen. Für die Provider werde das ganze Registrargeschäft sowieso zunehmend uninteressant, weil es beratungsintensiv und dabei von einem massiven Preisverfall gekennzeichnet sei, urteilt Michael Schneider, ISP-Vertreter im Names Council der Internet- und Namensraumverwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN). Die Wahl der Adresskürzel – .biz, .info, .pro, .name, .museum, .coop und .aero – gilt im Hinblick auf den Wettbewerb auch nicht gerade als der Weisheit letzter Schluss und eher willkürlich. Interessante Konkurrenz, etwa durch die Abbildung der Telefonnummern auf Domainadressen, ist schon in Sicht. Der gefürchtete D-Day, wenn die neuen Domains registriert werden können, werde also doch wohl eher zu einem "1000-Meter-Lauf" an einer Uni werden, meint Schneider.

Schließlich hat sich die ICANN beim Auswahlverfahren auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert – ganz abgesehen davon, dass in den USA am kommenden Donnerstag bei einer ersten Anhörung die Fairness des Auswahlprozesses von einem Kongress-Ausschuss unter die Lupe genommen wird. Selbst mancher ICANN-Direktor räumt ein, dass man tatsächlich keine so präzisen Kriterien bei der Auswahl 7 aus 44 hatte. "Weil es keine technischen Spezifikationen für neue Domains gebe, wurde eher nach politischen Erwägungen entschieden", sagt ICANN-Direktor Helmut Schink. Man werde sich aber um die Formulierung von Standards bemühen, künftig soll die Auswahl neuer Domains dann praktisch "automatisch" funktionieren. Gesichtspunkte wie der akustische Wohlklang von "iii" sollen dann keine Rolle mehr spielen.

Leider, so CORE-Sekretär Werner Staub, habe der lange verschleppte Prozess um die Einführung der neuen Domains ein Phänomen offenbart, das man mit der substraktiven Farbmischung vergleichen müsse. Dabei ergäben alle Farben am Ende nur noch weiß: "Die kollektive Intelligenz", so Staub, "konnte tatsächlich nicht mehr weiter reduziert werden." Staub, der für die gescheiterte CORE-Bewerbung um .nom mitverantwortlich war, kritisiert ICANNs Entscheidung vor allem auch deshalb, weil der Vorstand sich fast durchweg für kommerzielle Registry-Konzepte entschieden hat. "Praktisch keine ernstzunehmende Domain – mit der allenfalls halben Ausnahme von Afilias – ging an einen Non-Profit-Bewerber. Gewinnorientierung auf dem öffentlichen Rücken nennt der Schweizer das und einen Schlag ins Gesicht derjenigen, die den alten Gedanken des "public service" im Netz weiter verfolgten.

Umso mehr riet Staub den Teilnehmern der Tagung des ICANN-Studienkreises in Zürich: "Schreiben Sie jetzt ihre Bewerbung um eine neue Domain. Irgendwann ist wieder so eine Deadline da und Sie müssen innerhalb von sechs Wochen Ihre Bewerbung abliefern." Dazu verriet Gescheiterte auch das "unfehlbare Erfolgrezept" für künftige Bewerbungen um eine "get rich quick TLD". Vor allem und in erster Linie rät er zu "blauen Zahlen" in der Bewerbung. "Verwenden Sie blaue Zahlen, nicht rote, nicht schwarze und erfinden Sie diese frei", so seine kritische Analyse des Auswahlverfahrens. "99,9 Prozent, das klingt einfach gut." Stimmen müsse es nicht. Von Vorteil sei auch, wenn es aussehe als verfüge man über "wahnsinnig viel Kapital".

Ein Blick in die manchmal mehrere hundert Seiten starken Bewerbungen zeige auch, dass man offensichtliche Details auf jeden Fall seitenlang erklären müsse und auf Schlagwörter auf keinen Fall verzichten dürfe. "Die werden gezählt, und wehe, wenn Sie 'Sunrise-Period' [Vorregistrierrecht für Markeninhaber] nicht reingeschrieben hatten. Da ist es auch egal, ob Sie etwas Ähnliches geplant haben." Erklären sollte man solche Schlagwörter nicht, das habe CORE etwa im Fall der Privacy-Regelung allenfalls geschadet. "Das Privacy-Problem ist dadurch gelöst, dass wir dem EU-Recht unterstehen", hätte die erfolgreiche Konkurrenz geschrieben, das sei völlig ausreichend.

Bei all dem seien Widersprüche in den Bewerbungsplänen durchaus unproblematisch, meint Staub nach der seiner Lektüre der Bewerbungen, denn: "Kein Mensch hat das wirklich alles gelesen." Bei 44 Bewerbungen mit teilweise mehreren hundert Seiten könne man das schließlich nicht mal von der ICANN erwarten. Allenfalls werde quer gelesen und anhand eines Punktekatalogs mit den anderen Bewerbungen verglichen. Einen Evaluierungsbericht, den sich das ICANN-Büro von Beratern und Anwälten erstellen ließ, bekamen die Vorstandsmitglieder teilweise erst auf dem Weg zur entscheidenden Sitzung. Nicht zu vergessen, sich von US-Anwälte vertreten zu lassen, gehört laut Werner Staub auch noch zum Erfolgsrezept. Vielleicht findet sich diese nicht ganz ernst gemeinte Liste ja bald in einem standardisierten ICANN-Fragebogen für gTLD-Bewerber? (Monika Ermert) / (jk)