Hintergrund: MP3.com steht auf wackligen Beinen

Der Musik-Dienstleister MP3.com, der auf Grund seines Dienstes my.mp3.com von der Musikindustrie mit Klagen überzogen wurde, hat mit den Kosten für die Beilegung der Rechtsstreitigkeiten zu kämpfen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

Der Internet-Dienstleister MP3.com, der auf Grund seines Dienstes my.mp3.com von der Musikindustrie mit Klagen überzogen wurde, hat mit den Kosten für die Beilegung der Rechtsstreitigkeiten zu kämpfen. Den Dienst, der es Nutzern ermöglicht, CDs aus der eigenen Musiksammlung durch eine spezielle Software als MP3-Dateien auf den MP3.com-Servern freischalten zu lassen, wird von den Labels als Verletzung des Urheberrechts betrachtet. Zwar konnte sich MP3.com inzwischen mit vier der fünf großen Plattenfirmen einigen und auch mit einem Musikerverband ein Lizenzabkommen abschließen – das Label Universal dagegen fordert weiterhin Schadensersatz in Millionenhöhe.

Immerhin konnte MP3.com seine Umsätze im dritten Geschäftsquartal von 4,1 Millionen US-Dollar im gleichen Vorjahrszeitraum auf 20,5 Millionen US-Dollar steigern. Der Verlust sank von 17,8 Millionen US-Dollar (30 Cents pro Aktie) auf 6,1 Millionen US-Dollar (9 Cents pro Aktie). Analysten hatten mit 12 Cents pro Aktie gerechnet.

Allerdings sind in den Rechnungen noch keine Kosten und Rückstellungen enthalten, um eventuelle Prozesskosten, Schadensersatzforderungen und andere Kosten, die noch durch Urheberrechtstreitigkeiten auf MP3.com zukommen können, zu begleichen. Rechnet man Rückstellungen dafür in die Geschäftszahlen mit ein – unter anderem eine Rückstellung von 20 Millionen US-Dollar, die MP3.com beiseite gelegt hat – dann wiederum kommt MP3.com auf einen Verlust von 48,7 Millionen US-Dollar (74 Cents pro Aktie), verglichen mit einem Verlust von 19,9 Millionen US-Dollar (33 Cents pro Aktie), die unter den gleichen Voraussetzungen im Vorjahresquartal verbucht wurden.

MP3.com steht also trotz einiger außergerichtlichen Einigungen und enormer Umsatzsteigerung nach wie vor auf wackeligen Beinen. Selbst unter der Voraussetzung, dass das Gericht, das MP3.com schon auf Grund der Klage von Universal zu Schadensersatz verurteilt hatte, sich bei der Feststetzung der Schadenshöhe gnädig zeigt, könnte der Dienstleister weit über 100 Millionen US-Dollar zahlen müssen. Und die Lizenzvereinbarungen, die bislang abgeschlossen wurden, dürften auch nicht gerade billig sein: Zwar veröffentlichten einige der Firmen die Höhe der zu zahlenden Beträge nicht, Warner Music aber erhält beispielsweise für jeden Upload eines Musikstücks 1,5 Cent, für jeden Download 0,33 Cent. Dazu kommen beispielsweise jeweils 20 Millionen US-Dollar an Warner Music und die Bertelsmann Music Group, die MP3.com für schon begangene Lizenzverstöße vor Abschluss der Vereinbarungen zahlte. Da muss MP3.com seinen Umsatz noch gewaltig steigern, um angesichts solcher Zahlungen irgendwann die Gewinnschwelle überschreiten zu können.

Ob solche Steigerungen in Zukunft aber möglich sind, muss sich zeigen: Einer der größten Werbepartner von MP3.com, Montaigne Participations & Gestion aus Paris, hat schon neue Vertragsbedingungen mit dem Internet-Dienstleister ausgehandelt. Danach zahlt die Firma 120 Millionen US-Dollar bis einschließlich 2004 an MP3.com. Der vorherige Vertrag sah Zahlungen von 150 Millionen US-Dollar vor – und das für einen kürzeren Zeitraum. Mit Werbung auf seinen Web-Seiten macht MP3.com aber immer noch den Löwenanteil seiner Umsätze. Ob Initiativen wie der Aufbau einer eigenen Ladenkette oder das Angebot von Hintergrundmusik für Supermärkte, Einzelhändler oder Restaurants in absehbarer Zeit zu nennenswerten Umsätzen führen, steht noch in den Sternen.

Angesichts dieser Situation erscheint es denkbar, dass MP3.com irgendwann versucht, den einfachsten Weg zur Erschließung neuer Einnahmensquellen zu gehen: Etwa eine monatliche Nutzungsgebühr für seinen doch recht beliebten Dienst my.mp3.com einzuführen. Schon der Chef der MP3-Tauschbörse Napster hatte schließlich in außergerichtlichen Verhandlungen mit der Musikindustrie vorgeschlagen, eventuelle Lizenzgebühren an die Label durch eine monatliche Nutzungsgebühr zu finanzieren, die die Napster-User bezahlen müssten. (jk)