Sieben neue Top Level Domains beschlossen

Die neuen Top Level Domains sind beschlossene Sache - and the winners are: .biz, .info, .name, .pro, .museum, .aero, .coop.

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Von
  • Monika Ermert

And the winners are: .biz, .info, .name, .pro, .museum, .aero, .coop. Sieben neue Top Level Domains (TLD) hat die Internet-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) auf ihrer Jahrestagung in Los Angeles bestimmt.

Sollten die Verhandlungen der akzeptieren Bewerber mit dem ICANN-Büro zur Zufriedenheit beider Seiten ausfallen, können ab erstem Quartal des nächsten Jahres User unter .biz (Melbourne IT/ NeuStar), .info (Afilias), .name (Global Name Registry/IBM) und .pro (Register.Com/Virtual Internet) Domain-Namen registrieren. Außerdem wählte die für Namen, Nummern und Protokollstandards zuständige Organisation .museum für Museen, .aero für Fluggesellschaften, Flughäfen und Reiseveranstalter (Societe Internationale de Aerospace) sowie die von der Cooperative League of the USA vorgeschlagene .coop-Domain für genossenschaftliche Unternehmen und Organisationen aus. Als einen "ersten gewaltigen Schritt zur Öffnung des Domain Name System" bezeichnete die scheidende Vorsitzende des ICANN-Vorstandes, Esther Dyson, die mit Spannung erwartete Entscheidung. Der zu ihrem Nachfolger gewählte Vint Cerf war etwas vorsichtiger: "Wir müssen noch abwarten, bis die Verträge mit den ausgesuchten Bewerbern ausgehandelt sind."

"Wir sind im Registry-Geschäft", erklärte im Anschluss an die Entscheidung Eric Schätzlein, Domain-Service-Manager vom deutschen Provider Schlund und Partner. Als Mitglied des Afilias-Konsortium erhielt die Firma, ebenso wie die EPAG, das Council of Registars (CORE) und 16 weitere Registrare, den Zuschlag zwar nicht für das favorisierte .web, aber für das als Alternative vorgeschlagene .info. Wenn Afilias, zu dem auch Ex-Domain-Monopolist Network Solutions gehört, bei seinem ursprünglichen Geschäftsmodell bleibt, sollen die .info-Domains 5,75 US-Dollar pro Jahr kosten. Buchstäblich in letzter Minute hatte der im Abstimmungsprozess teilweise desorientiert wirkende Vorstand die Zustimmung für .web verweigert.

"Ich würde mich doch wohler fühlen, wenn wir .web nicht vergeben", meinte Vint Cerf mit Blick auf Chris Amblers seit 1996 unter dot.web betriebene alternative Root-Zone. Während Direktoren wie Hans Kraaijenbrink an dem klagebereiten Ambler offensichtlich gerne ein Exempel statuiert hätten, überwog in der Diskussion des ICANN-Direktoriums bei der Mehrheit eine gewisse Sympathie für den Querkopf. Allerdings hätte man Amblers Chancen in einem möglichen Rechtsstreit vermutlich auch deutlich verschlechtert, wenn man einem der Konkurrenten .web zugesichert hätte.

"Wir werden uns mit unseren Rechtsberatern zusammensetzen und entscheiden, was wir als Nächstes tun", sagte S.K Suman, Direktor der Sarnoff Corporation, die ebenfalls erst in der Schlussrunde aus dem Rennen ausschied. Den Hauptausschlag dafür gab offensichtlich eine Intervention von ICANN-Rechtsbeistand Joe Sims, der gewisse Bedenken angesichts der am Tag zuvor verkündeten Partnerschaft von Sarnoff Corporation und JVTeam äußerte. JVTeam, das bei .biz erfolgreiche Joint Venture von Melbourne IT und des Telefonnummernexperten Neustar, hatte zuvor zum überraschenden Aus für die Bewerbung des Standford Research Institutes geführt, das .geo-Domains für geographische Zellen entsprechenden Namen mit geographischen Informationen vorgeschlagen hatte. Yvan Leclerc vom SRI Artificial Intelligence Center befürchtet: "Bis zur nächsten Bewerbungsrunde gibt es vermutlich ähnliche Projekte, wir werden nie wieder die Chance bekommen, die sich in diesem Augenblick gestellt hat." Bitter dürfte für die SRI-Bewerber vor allem sein, dass der Ausschluss des Sarnoff/JVTeam-Vorschlags ihren Vorschlag eigentlich noch einmal ins Spiel hätte bringen können. .geo war vor allem mit der Begründung abgelehnt worden, dass JV-Team bei drei Bewerbungen mit in die engere Wahl gekommen war.

Wie viele juristische Verfahren sich ICANN mit der Entscheidung eingehandelt hat, bleibt abzuwarten. Kritik am Auswahlprozess für die neuen TLDs gab es in allen Phasen. Zu komplizierte Bewerbungsanforderungen und die Höhe der Gebühr, immerhin 50.000 Dollar, sorgten im Sommer für Kritik. Ein, wie von Bewerbern zu hören war, fehlerhafter oder zumindest ungenauer Bericht des ICANN-Büros, beziehungsweise eines Teams externer Berater für finanzielle, juristische und technische Fragen, goss zudem Öl ins Feuer.

"Die drei Minuten für die Vorstellung der Einzelvorschläge waren tatsächlich zu kurz", räumte unmittelbar nach der Entscheidung Helmut Schink ein, der zum ersten Mal an einer ICANN-Vorstandssitzung teilgenommen hat. Man hätte, meinte Schink, eigentlich mehr Zeit für die Auswahl gebraucht. ICANNs Anwälte hätten allerdings auf der zügigen Abwicklung bestanden. Der im Oktober von den ICANN-Mitgliedern gewählte At-large-Direktor Andy Müller-Maguhn, der gemeinsam mit seinen vier Kollegen aus Lateinamerika, Afrika, Asien/Pazifik und Nordamerika erst am Ende der Sitzung in den Vorstand aufgenommen wurde, sagte: "Ich glaube schon, dass die Entscheidung anders hätte aussehen können. Ich hätte sicher Esther Dyson darin unterstützt, Name.Space stärker in die Diskussion zu bringen." Paul Garrin von Name.Space hatte 118 TLDs vorgeschlagen, darunter auch das umstrittene .sucks.

Gerade bei den TLDs mit speziellen Zielgruppen (chartered Domains), etwa die für Bankdienstleistungen (.fin), hatte der Vorstand auf maximale Repräsentativität für spezielle Branchen gepocht. Eine spezielle Domain nur für Kinder lehnten mehrere Direktoren ebenfalls ab, weil man damit Erwartungen – eine sichere Umgebung für Kinder im Netz – bei den Nutzern wecke, die man nicht erfüllen könne. Von den Bewerbungen internationaler Organisationen wie .health von der Weltgesundheitsorganistion hatte man andererseits Abstand genommen, nachdem das Governmental Advisory Committee (GAC) in seiner Resolution darauf aufmerksam gemacht hatte, dass bei einer Vergabe von Top Level Domains an solche Organsiationen die Mitgliedsstaaten gehört werden müssen. In der GAC-Resolution beanspruchen die Regierungen auch einen öffentlichen Konsultationsprozess für alle neuen TLDs. Spannend bleibt vorerst auch, wie sich das Wirtschaftsministerium der USA verhalten wird, das der Aufnahme der neuen TLDs ins Root zustimmen muss. Zwei Kongressabgeordneter haben sich offensichtlich bereits mit einer Beschwerde an das Ministerium gewandt.

Unentschieden bleibt natürlich auch die Frage, ob die neuen TLDs eigentlich nun das Problem lösen, weswegen sie ursprünglich eingeführt werden sollten. Die Domain-Namen im Internet sind ja nicht eigentlich knapp – was knapp ist, sind Second Level Domains, die aussagekräftige oder Markenzeichen entsprechende Namen haben. Aber die Zuwachsraten an Domain-Registrierungen in den Industrienationen sind zweistellig und werden es auf absehbare Zeit auch bleiben, und im Web möchte jeder gerne mit seinem Firmen-, Produkt- oder Familiennamen vertreten sein. So sehr die neuen TLDs auch ihren Charme haben mögen, sie helfen nicht über das eigentliche Problem der Verknappung der möglichen Domain-Namen hinweg, meint etwa Rechtsanwalt Konstatin Malakas in einem Beitrag für c't (siehe Ausgabe 24/2000, ab dem 20. November im Handel).

Markennamen etwa werden als Second Level Domain (SLD) mit einer beliebigen TLD kombiniert. Es sei daher egal, ob jemand beispielsweise persil.biz, persil.info oder persil.ag registrieren lasse. Die Firma Henkel hätte – von der Durchsetzungsproblematik einmal abgesehen – immer einen Unterlassungsanspruch gegen den Registranten, weil die Marke Persil notorisch bekannt ist, meint Malakas. Denn für das Kennzeichenrecht sei ausschließlich der unterscheidungskräftige Kennzeichenbestandteil ausschlaggebend, und der stecke nun einmal in der SLD. Den TLDs komme bei der Beurteilung der kennzeichenrechtlichen Unterscheidungskraft eben keine Bedeutung zu. Es bleibt also abzuwarten, ob die Kritiker der Einführung neuer TLDs nicht Recht behalten, die darin nur ein Herumkurieren an Symptonen sehen – und keineswegs Lösungen für das Problem des Cybersquattings und für die Schwierigkeiten mit der Nutzung des DNS als Verzeichnisdienst, als der es eigentlich nicht entwickelt wurde.

Siehe dazu auch Vorsicht bei Vormerkungen neuer Domain-Namen und den Hintergrundbericht Der Ärger mit den Domain-Namen. (Monika Ermert) / (jk)